Juris Kunnoss

Der lettische Lyriker Juris Kunnoss, Jahrgang 1948, lebt in Riga und schreibt seit etwa 25 Jahren. Bislang sind zwei Bände mit seinen Gedichten erschienen: Drellis (Der Sklave; Riga 1981) und Pieci Septini (Fünf Sieben; Riga 1987).

Das äußerliche Markenzeichen seiner Lyrik: sie ersetzt konsequent jedes „ks“ durch ein „x„; das inhaltliche: ein archaisch wortgewaltiges Idiom, das sich zu quergedachten Assoziationen und Aphorismen verdichtet, Anleihen an die stream-of-consciousness-Technik inklusive. Zu den literarischen Vorbildern zählt unter anderen Franz Kafka.

Es ist Ende Juli 1968, und Kunnoss hat seinen obligaten Wehrdienst in der Sowjetarmee fast schon abgeleistet, als seine Einheit den Befehl zum Abmarsch erhält; erst allmählich erfahren die Soldaten, daß es über Polen und die DDR in die Tschechoslowakei gehen soll. Die Staaten des Warschauer Pakts machen sich daran, dem unbotmäßigen Prager Reformkommunismus ein gewaltsames Ende zu bereiten, die Breschnew-Doktrin von der begrenzten Souveränität der Ostblockländer wird in Kraft gesetzt. Am 28. August überschreitet Kunnoss mit seiner Einheit die Grenze zwischen der DDR und der CSSR, mehrere Monate lang bleibt er im Land stationiert, ist ungefragt Teil einer unerwünschten Besatzungsmacht.

Seine Erlebnisse in jenem Sommer hat Kunnoss erst 20 Jahre später in der Skizze 1968 festgehalten und im Rigaer Monatsheft 'Avots‘ veröffentlicht (Nr. 12, Dezember 1988). Auch über diesen zeitlichen Abstand hinweg geschrieben, hält der Bericht an der Perspektive von „damals“, an der Sichtweise eines jungen Soldaten fest; es werden persönliche Erfahrungen notiert, nicht allgemeine Deutungen angeboten: „Auslandseindrücke eines 19jährigen Jugendlichen“, wie Kunnoss selber anmerkt. Das Ergebnis ist ein seltsam unheroischer Text über eine militärische Aktion und ein bislang einzigartiges literarisches Dokument über die Unterdrückung des Prager Frühlings.

Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck dankt die taz der Redaktion von 'Avots‘.

Ojars J. Rozitis