Mehr Macht für die Wohnungsaufsicht

■ Ein von SPD und AL eingebrachter Gesetzentwurf gegen Wohnungsleerstand und -mängel wurde gestern gehört

Milde Töne statt harter Worte hörte man bei der gestrigen Anhörung aller für Mietsachen zuständigen Verbände zum „Gesetz zur Beseitigung von Wohnungsmißständen“ im Abgeordnetenhaus. AL und SPD hatten gemeinsam diesen Gesetzentwurf gegen Leerstand und Wohnungsmängel eingebracht. Kernpunkt ist, daß die Bezirksämter Treuhänder einsetzen dürfen, wenn ein Eigentümer sein Haus zu sehr vergammeln oder zu lange leerstehen läßt. Weiter muß der Vermieter dem Mieter Ersatzwohnraum besorgen, wenn dessen Wohnung nicht nutzbar ist. Räume, die illegal als Gewerbe zweckentfremdet sind, können auf Anweisung des Bezirksamtes wieder zum Wohnen genutzt werden. Und: der Vermieter muß leerstehende Wohnungen beim Amt anzeigen, dieses darf die Wiedervermietung anordnen und Wohnungssuchende über den Leerstand informieren. Der Entwurf lehnt sich an ein Hamburger Gesetz an.

Ernüchtert wurden die Abgeordneten freilich, als der Leiter der Hamburger Wohnungsbehörde über die Praxis berichtete. Es gebe nur einen einzigen Fall, in dem ein Treuhänder gegen den Willen des Eigentümers eingesetzt worden sei, das habe allerdings Jahre gedauert, da der Eigentümer bis zum Oberverwaltungsgericht gegangen sei. Deshalb plädierte er dafür, daß man bei uneinsichtigen Vermietern das Verfahren abkürzen könne. Allerdings sei durch die Möglichkeit des Treuhänders eine „abschreckende Wirkung“ erzielt worden. Ins gleiche Horn stieß der Schöneberger Bezirksstadtrat Saager (SPD). Bei den „bekannten Kandidaten“ müsse man sofort reagieren können. Außerdem brauche man mehr Personal.

„Schwarze Schafe“ wolle man nicht schützen, erklärte der Sprecher des Haus- und Grundbesitzerverbandes, Blümmel. Trotzdem blieb seine Begeisterung begrenzt. Der Treuhänder werde in der Praxis nicht greifen, deshalb solle man doch gleich auf ihn verzichten, um keine „falschen Solidarisierungseffekte“ unter Hauseigentümern hervorzurufen. Blümmel schlug eine Bresche für das Kleingewerbe: Mittelständische Betriebe und Freiberufler könnten sich teure Gewerbeneubauten nicht leisten, man dürfe sie aus der Wohnung nicht vertreiben, selbst, wenn sie zweckentfremdet sind. Außerdem machte er darauf aufmerksam, daß die Abgeordneten selbst oftmals in zweckentfremdeten Wohnraum arbeiten würden. „Sie trinken Wein und predigen Wasser“ schloß Blümmel.

„Das Gesetz wird Erwartungen wecken, die die Bezirksämter nicht erfüllen können, denn die Verwaltung ist gegenüber dem Eigentümer verpflichtet“, meinte der Geschäftsführer der freien Wohnungsunternehmen und früherer Tiergartener Baustadtrat Bubel (SPD). Der Chef des Mietervereins Vetter hingegen begrüßte das Gesetz. „Wir beraten 25.000 Mieter im Jahr, ein Drittel davon wegen Wohnungsmängel“, sagte er. Die Kosten für mehr Personal in den Bezirken gleichen sich wieder aus. „Denn jetzt gibt der Senat über 300 Millionen aus, um unterlassene Instandhaltung über Modernisierungsprogramme auszugleichen.“ Die Berliner Mietergemeinschaft forderte, der Vermieter müsse Mietausgleich zahlen, wenn die benötigte Ersatzwohnung wegen Wohnungsmängel teurer ist.

esch