Ausgespielt

Mompers Zustimmung zum Zehn-Punkte-Plan von Kohl  ■ K O M M E N T A R

Die deutschlandpolitische Sternstunde des regierenden Bürgermeisters ist vorbei. Seit die Bundesregierung ihre Sprachlosigkeit überwunden hat, ist Momper wieder ins zweite Glied zurückgetreten. Seine offensiven Thesen zum deutsch -deutschen Verhältnis, die er ins bundesweite Diskussionsvakuum gesprochen hat, haben sich in taktische Zustimmung zur Kohlschen Pragmatik gewandelt. Momper hat die Hand zur Versöhnung mit Bonn ausgestreckt und den 20.000 vor den Kopf gestoßen, die am 10. November vor dem Rathaus Schöneberg den Kanzler ausgepfiffen haben. Der Grund liegt nicht in den 785 Millionen, die Berlin am kommenden Freitag erneut von Bonn erbitten wird. Plumpe Erpressung zu vermuten, lenkt ab vom politischen Kalkül.

Die nationale Frage soll zur gemeinsamen Aufgabe der Demokraten getrimmt werden. Daß Bundeskanzler Kohl auf seine sonst übliche Wiedervereinigungsrhetorik verzichtete, hat den Sozialdemokraten die Zustimmung ermöglicht. In Bonn und so wollten es auch die Genossen - sollte sich nicht wiederholen, was in Berlin kurz nach der Öffnung der Mauer geschah. Die deutschlandpolitische Erklärung, die das Abgeordnetenhaus damals gegen die Stimmen der Christdemokraten verabschiedete, enthielt das Wort „Einheit“ nicht. Damit hat sich die Berliner SPD den Zorn der Genossen aus Bonn zugezogen. Allen voran hätte es Willy Brandt gerne gesehen, wenn die sogenannte „Einheit der Demokraten“ der Parteipolitik übergeordnet gewesen wäre. Der Enkel Walter Momper hat an diesem Tag ein Stück der Sympathie des Alten verspielt.

Der Bundestagswahlkampf wird ein Deutschlandwahlkampf werden, und die Bundes-SPD hat kein Interesse in dieser Frage die Oppositionsrolle zu pflegen. Berlin und Walter Momper bleibt nichts übrig, als sich einzupassen. Doch er tut es ohne Zähneknirschen und mit der historischen Erfahrung, daß Opposition in der Deutschlandpolitik noch nie Wählerstimmen gebracht hat. Dabei übersieht man taktisch das Endziel der Christdemokraten, die deutsche Einheit. Wenn erst einmal die DDR wirtschaftlich gestärkt und stabil ist, wird sich die nationale Frage als „Einverleibungsfrage“ nicht mehr stellen, so jedenfalls hoffen es die Berliner Sozialdemokraten. Walter Momper, der bislang immer zu Zurückhaltung gemahnt hat, stimmt jetzt ein ins Konzert der Rezeptverteiler. Dabei wäre er im bundesweiten Konzert der Besserwisser derzeit noch der einzige, der darauf aufmerksam machen könnte, daß die DDR-Opposition Zeit braucht. Doch der Wettlauf der Parteien im Westen um die Meinungsführerschaft in der Deutschlandpolitik und der kommende Wahlkampf sorgen für Atemlosigkeit.

Brigitte Fehrle