Verfahrensmanipulation

■ Die Verfolgungspraktiken der Bundesanwaltschaft in 129a-Verfahren

Daß der deutschen Justiz nach ihren Verbrechen im Faschismus im demokratischen Staat der Neuanfang und der Bruch mit all ihren unsäglichen Traditionen quasi aus dem Stand heraus rundum gelingen könnte, war schon aufgrund der personellen Kontinuität immer nur ein Wunschtraum. Dennoch erlaubte die demokratische Verfassung eine Rechtssprechung frei von unmittelbaren politischen Direktiven. Die Chance, als unabhängiger Jurist sachgerecht zu ermitteln, zu bewerten und zu urteilen nutzten viele, auch wenn der Justizapparat eine solche Haltung nicht immer belohnte. Tatsächliche Verfahrensmanipulationen und Rechtsbeugungen bildeten im Justizalltag nach 1945 die Ausnahme - im Normalfall.

Für politisch bedingte Strafverfahren galten andere Gesetze. Wer RAF-Verfahren beobachtet oder Gerichtsprotokolle nachgelesen hat, dem konnte nie entgehen, daß die Wahrheitsfindung fast immer zuungusten des Verurteilungsinteresses ins Hintertreffen geriet. Bundesanwälte, die in RAF oder anderen 129a Verfahren auch nach Entlastendem für 129a Angeklagte suchten, fanden sich nie. Und die Richter spielten mit. In 129a-Verfahren gilt fast durchweg der Grundsatz: im Zweifel gegen die Angeklagten. Jedenfalls solange, wie eine ideologische Nähe zur RAF-Theorie oder anderen militanten Widerstandskonzepten gegeben ist. Daran haben sich inzwischen nicht nur die journalistischen Prozeßbeobachter gewöhnt.

Was sich allerdings in den letzten RAF-Verfahren abgespielt hat, ist mit dieser Routine nicht mehr vergleichbar. Inzwischen grenzen die Verfolgungs- und Verurteilungsmethoden an nackte Willkür. Weil in den Verfahren gegen Andrea Sievering, Erik Prauss, Rolf Hartung und andere, die Bundesanwaltschaft für ihre Anklagen in der Substanz nichts vorweisen konnte als die Schriftgutachten von H. Ockelmann, setzte sie sich ohne Rücksicht über alle Bedenken - selbst über die aus dem Polizeiapparat - an ihrem Kronzeugen hinweg. Dabei spielte der Bundesgerichtshof selbst einen willfährigen Part. Der Einsatz von Ockelmann als Allzweckwaffe bei fehlenden Beweisen, kommt sachlich einer Verfahrensmanipulation gleich. Im Ergebnis handelt es sich um Rechtsbeugung, denn eine ausschließlich sachliche Bewertung hätte weder zu den letzten Stammheimurteilen geführt, noch Rolf Hartung in U-Haft gebracht. Ginge es im 129a-Bereich rechtsstaatlich zu, müßte jetzt nicht nur Rebmann gehen. Es gilt den Rechtsstaat vor seinen staatlichen Verteidigern zu schützen.

Walter Jakobs