Verhandlungsenklave in demilitarisierter Zone

■ Das kleine Dorf Panmunjom am 38.Breitengrad ist ein getreues Spiegelbild der koreanischen Teilung

Von Jürgen Kremb

Als dem Koreakrieg am 27.Juli 1953 mit einem Waffenstillstand Einhalt geboten wurde, blieb auf der ostasiatischen Halbinsel keine geteilte Stadt übrig. Es gab keine Städte mehr. Schon zu Jahresbeginn hatten amerikanische Bomber ihre Angriffe auf Pjöngjang eingestellt. In der heutigen nordkoreanischen Hauptstadt stand kein Stein mehr auf dem anderen.

Auch Seoul, der Regierungsmetropole des Südens erging es nicht besser. Nur knappe 40 Kilometer sind es von dort bis zur demilitarisierten Zone (DMZ) entlang des 38. Breitengrades. Auf diese willkürliche Trennungslinie hatten sich die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges für Korea festgelegt. Ein Land mit einer über Jahrhunderte eigenständigen Kultur war hier geteilt worden, weil es nach Ansicht der Alliierten noch nicht reif für die Eigenständigkeit war. Als im Sommer 1950 der koreanische Bürgerkrieg seinen Ausgang nahm, wurde die Stadt dreimal überrannt. Nur Schutt blieb von der Millionenstadt übrig.

Die einzige Ansiedlung, die heute spiegelbildlich für Koreas Teilung steht, ist das Dörfchen Panmunjom. Es liegt zu jeweils einer Hälfte auf dem Territorium des kapitalistischen Südkorea und auf dem Boden des kommunistischen Nordkorea. In der Verhandlungsenclave inmitten der vier Kilometer breiten demilitarisierten Zone wurde 1953 der Waffenstillstand geschlossen, der bis heute die koranische Teilung zementiert hat. Hier wurden über die „Brücke ohne Wiederkehr“ in den Monaten danach die Kriegsgefangene zwischen Süden und Norden ausgetauscht. Und in Panmunjom treffen sich heute noch jeden Tag Punkt zwölf Uhr die Abordnungen der „Joint Security Forces“, deren Truppen aus sechs Nationen, die wohl dichteste Grenze der Welt bewachen.

Panmunjom ist nur eine militärische Ansiedlung. Im Süden garantieren unter der Oberhoheit der Vereinten Nationen Truppenkontingente aus Schweden, der Schweiz und den USA den Status Quo; im Norden sind es Soldaten aus der CSSR, Polen und Nordkorea.

Nie hat ein privater Brief, nie ein Telefongespräch, die Grenze hier in Panmunjom passiert. Doch noch immer sollen nördlich und südlich des eisernen Lindwurms DMZ, der auf 230 Kilometern Länge Korea durchschneidet, zehn Millionen Familienangehörige voneinander getrennt sein. Verhandlungen über Familienzusammenführungen hat es in Panmunjom immer wieder gegeben. Doch selten waren sie von Erfolg gekrönt. Zuletzt wurden 1985 wenige ausgewählte Koreaner aus beiden Landesteilen durch Panmunjom kutschiert, um für wenige Stunden ihre Lieben im jeweils anderen Landesteil zu sehen. Als sich die Verhandlungsdelegationen jedoch im Vorfeld der olympischen Spiele im Sommer 1988 zu Gesprächen in dem Militärdorf trafen, mußten sie feststellen, daß sich die Delegationsleiter nicht die Hände schütteln konnten. Der Tisch, an dem sie sich niedergelassen hatten, war zu breit.

Für den achten Dezember dieses Jahres haben sich die verfeindeten Brüder allerdings darauf geeinigt, eine erneute Runde der Familienzusammenführung einzuleiten. Dann soll Nordkorea 300 Leute aus geteilten Familien und 200 Künstler durch die Verhandlungsenclave in den Süden kutschieren. Aus dem Süden kommen 350 Menschen aus getrennten Familien und 150 Künstler. Noch ist aber zu befürchten, das Treffen könnte wegen „technischer Schwierigkeiten“ ausfallen. Die Südkoreaner wollen nicht zulassen, daß eine nordkoreanische Revolutionsoper in Seoul aufgeführt wird.

In der Vergangenheit war Panmunjom stets ein Schauplatz bizarrer Geschehnisse. Und die Ansiedlung wird es auch in naher Zukunft bleiben. Auf die Idee, die Grenze zu vergessen, kommen Besucher hier nie. Als blau makierter Strich zieht sie sich selbst durch die Verhandlungsbaracke. GIs im Gardemaß und reglos dreinblickende nordkoreanische Soldaten stehen sich hier Angesicht zu Angesicht gegenüber. Schnell wird hier aus dem Kalten Krieg blutiger Ernst. So wollten etwa US-Truppen am 18. August 1976 einen Baum auf dem Gelände von Panmunjom fällen, der ihnen die Sicht auf den Norden versperrt hatte. Bei einem Handgemenge mit dem Gegenüber blieben zwei GIs tot auf der Strecke, erschlagen mit den eigenen Äxten, derer sich nordkoreanische Soldaten bemächtig hatten. Die Flucht eines sowjetischen Offiziers Anfang der achtziger Jahre endete im Kugelhagel. Mehrmals hat der Süden in den letzten Jahren schon Tunnel unter der DMZ entdeckt, die angeblich dazu dienen sollten, Truppen des feindlichen Bruders in das Schwellenland zu schleusen. Die in den Fels gehämmerten Stollen sind so groß, das ganze Armeen durchmarschieren könnten, behaupten die Generäle aus dem Süden. In der DMZ bei Panmunjom stimmen eben die Feindbilder noch.

Die einzigen Zivilisten, die in Südkorea in der DMZ nahe Panmunjom leben, sind die Bewohner des Dörfchens Taesong -dong. Sie dürfen nach Einbruch der Dunkelheit ihre Häuser nicht mehr verlassen. Dann hören sie nur noch die Stimmen aus den Propagandalautsprechern, die aus Nordkorea herüberschallen und von der Überlegenheit des Systems des „geliebten Führers“ Kim Il Sung verkünden.