CDU-Politiker bedauert Vorverurteilung

■ Bundesanwaltschaft zieht Anklage gegen Rolf Hartung zurück / CDU-Generalsekretär Linssen von Nordrhein-Westfalen bezeichnete Kiefernstraße als „Zentrum des Terrorismus“

Düsseldorf (taz) - In der nordrhein-westfälischen CDU hat die Zurücknahme der Anklage gegen Rolf Hartung, dem die Bundesanwaltschaft u.a. Beteiligung an RAF-Bombenanschlägen vorgeworfen hatte, zu einer, wenn auch noch verhaltenen, Selbstkritik geführt. Wenn der Eindruck einer „Vorverurteilung“ entstanden sei, so „tut mir das leid und ich bedaure das“, sagte der nordrhein-westfälische CDU -Genelralsekretär Helmut Linssen gegenüber der taz. Linssen hatte in einer heftig geführten Landtagsdebatte über die Düsseldorfer Kiefernstraße, in der Hartung wohnte, die Straße zum „Zentrum des Terrorismus in der Bundesrepublik schlechthin“ erklärt. Den damals - wie berichtet - wegen eines falschen Schriftgutachtens unschuldig in U-Haft einsitzenden Rolf Hartung hatte Linssen unmittelbar mit den RAF-Anschlägen in Verbindung gebracht. Linssen im Landtag wörtlich: „Viele Blutspuren des deutschen Terrorismus führen nach Düsseldorf. Das geht von Willy Peter Stoll, 1987 in Düsseldorf festgenommen, über die Komplizinnen Speitel und Meyer-Witt, über Christian Kluth, Luitgard Hornstein, Eva -Sibylle Haule Frimpong über Erik Prauss und Sievering über Kilper zu Hartung...“ Ob die von Linssen so schwer belasteten Personen jemals überhaupt etwas mit der „BLutspur des deutschen Terrorismus“ zu tun hatten, ist in 4 Fällen bis heute nicht einmal gerichtlich geklärt. Die Urteile gegen Erik Prauss und Andrea Sievering sind noch nicht rechtskräftig, und sie dürften nach der Demontage des auch in diesen Verfahren als Hauptbelastungszeuge agierenden Schriftgutachters Ockelmann kaum Bestand haben. Auch die rechtskräftige Verurteilung von Christian Kluth und Luitgard Hornstein steht nach dem Fall von Ockelmann zur Disposition.

Gegen Rolf Hartung selbst, dem in der konservativen Presse sogar eine „Schlüsselrolle“ beim Tietmeyer-Anschlag angedichtet worden war, hat die Bundesanwaltschaft überhaupt nichts in der Hand. Während Linssen, der in der fraglichen Landtagsdebatte im Oktober die Verhaftung von Hartung erneut nutzte, um Innenminister Herbert Schnoor als Sicherheitsrisiko vorzuführen, zu einer deutlichen Entschuldigung und Wiedergutmachung gegenüber den betroffenen Kiefernstraßenbewohnern offenbar nicht bereit ist, äußerten sich andere Stimmen in der Düsseldorf CDU „sehr bedrückt“. In Zukunft, so einer der Beteiligten, werde man den Informationen „aus Sicherheitskreisen“ und der Bundesanwaltschaft jedenfalls „nicht mehr ungeprüft und leichtfertig trauen“. Das sei die aus der Affäre zu ziehende Lehre.

J.S. Siehe Kommentar Seite 8