Vereinigte „Miss Berlin“

■ Nach 28 Jahren Mauer: Erstmals wieder „Mädchen“ aus Ost- und West-Berlin bei Miss-Wahl / „Wie kommt das, daß ihr im Osten genauso mit dem Arsch wackelt?“

Im Badeanzug steht die 20jährige Saskia Resties aus Ost -Berlin auf der Minibühne des Kudamm-Kabaretts „New Eden“. Klub-Chef Rolf Eden steht in dunklem Anzug, Lackschuhen und Fliege daneben, sein Arm wickelt sich kraftvoll um Saskias unverhüllte Taille. Er will von der Nummer vier der „Miss Berlin West/Ost 1990„-Wahl wissen: „Wie kommt das, daß ihr im Osten genauso mit euren Ärschen wackelt wie hier?“ - „Wir sind auch Deutsche“, weiß die Ostberlinerin. „Sehr gut, sehr gut, sehr gut geantwortet - sehr gut“, überschlägt sich Rolf Edens Stimme im kabellosen Mikrophon.

Seit 30 Jahren veranstaltet der Etablissement-Besitzer Miss -Wahlen. „Wir haben jetzt ein gesamtes Berlin“, meint er und findet es deshalb „ganz normal, daß Damen aus dem Osten mitmachen“, wie schon vor dem Mauerbau 1961.

An die Vorauswahl zu der Miss-Berlin-Wahl, können sich die 15 ausgewählten Kandidatinnen noch gut erinnern: „Zu 19 Mann waren wir ganz eng auf einen Laufsteg gedrängelt. Eine bloße Fleisch-Show: einmal im Kreis drehen und mit dem Po wackeln“, berichtet die 18jährige Elke Berndt, die in ihrem abgeschminkten Leben in einem volkseigenen Gummiwerk Anlagenfahrerin ist. Und die beiden Westberlinerinnen Petra Kiock (19) und Heidi Coruish (24) erzählen über die Vorauswahl, daß dort lauter „pubertäre 16jährige und gierig -geile Männer“ gewesen seien. Bei der Misswahl machen sie trotzdem mit, denn „wenn wir schon mal hier sind, wollen wir auch die 200 Mark haben“.

Am vergangenen Mittwoch war im „New Eden“ zwischen den roten Tischen kein Platz mehr frei, obwohl Ost/West-Frauen -Gucken 50 Mark kostet. Die quotierte Jury weiß dafür, worauf es ankommt. Gabi Schmidt vom Hansa-Theater: „Die ‘Miss Berlin darf nicht nur niedlich und nett sein, sie muß unsere Stadt repräsentieren können.“

Könnte das vielleicht die 17jährige Petra Luczak, die zum Song „Flash-Dance“ zeigt, was sie vortanzen kann? „Was hat dir bei einem Besuch in Ost-Berlin am besten gefallen“, wird die West-Berlinerin von Rolf angelallt, in dessen Adern kurz nach Mitternacht schon drei Flaschen Schampus rumsprudeln. „Daß dort die Bücher so billig sind“, antwortet Petra nüchtern. „Clever ist sie auch noch“, lobt Schampus-Rolf „nicht nur schön“. Oder würde Berlin von der 23jährigen Mary Struß am besten „repräsentiert“. Sie wird von dem Miss -Conferencier aufgefordert: „Erzähl mal was Kluges!“ Keine leichte Aufgabe, aber Rolf hilft: „Na, welche Hobbis du hast, was du einmal werden willst, oder was du besonders gut kannst.“ Dabei muß dem Rolf selbst nachgeholfen werden, denn als ich ihn bitte, was Kluges zu erzählen, fragt der Club -Chef, dem auf der Bühne noch auf die dümmste Frage eine Antwort einfiel: „Zu welchem Thema denn?“ - „Na, welche Hobbis du hast.“ - „Frauen, soviel wie möglich“, fängt sich der braun-gecremte Entertainer, der auch einmal jung gewesen war. Und was wollte er einmal werden? „Das, was ich bin: Playboy“. Und was kann er besonders gut? „Klavierspielen.“ Er hätte bei einer „Mister Gesamt-Berlin„-Wahl sicher Chancen.

Die Jury entschied sich für Nummer 13, die 19jährige Schülerin Natalie Bul aus dem Westteil. Merkwürdig: Bei Edens Premierung war sie nicht einmal mehr unter den vier Siegerinnen. Erste wurden West-12 und Ost-4, die angeblich dieselbe Anzahl von 136 Punkten hatten. Beide kriegen 1.000 Mark Prämie. Im „New Eden“ ist „Gesamt-Berlin“ eben nicht mehr entzweizuteilen - „Miss„-Wahl mit „Vereinigungs-Happy -End“.

Dirk Wildt