: „Vorläufige Einschätzung“ der REPs
■ Eine materialreiche Publikation über das Thema Rechtsradikalismus und „Republikaner“ / Leider nur eine begrenzte Analyse
Die Potentiale des Rechtsextremismus am Beispiel der „Republikaner“ sind Thema einer Veröffentlichung des Berliner Politikwissenschaftlers Hajo Funke. Das von der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste herausgegebene schmale Bändchen spürt Rassismus, Antisemitismus und nationalem Größenwahn als Mentalitätsbeständen in der Bundesrepublik nach, um damit einen Beitrag zur Erklärung der Wahlerfolge von Rechtsextremisten zu liefern.
Das Buch, so Funke in einer Fußnote, „basiert auf vorläufigen Einschätzungen und versucht, auf ihre Basis zur Kontroverse um einen „hilflosen Antifaschismus“ - als Streitschrift - Stellung zu nehmen (S.7). Es behandelt die sozialen Ursachen des Wahlerfolgs der „Republikaner“, analysiert Agitation und Programm und beschäftigt sich mit Ethnozentrismus und nationalistischer Identitätsbeschwörung als Mentalitätsbestände der vierzigjährigen Republik sowie mit dem aktuellen politischen Bezugsfeld der REPs in den 80er Jahren; den Abschluß bildet ein Abschnitt über praktisch-politische Konsequenzen zur Eindämmung des Rechtsextremismus.
Die Bemerkung des Autors, es handele sich um „vorläufige Einschätzungen“, trifft zu und dürfte auch die Begrenztheit der Analyse und die zum Teil vorhandenen Widersprüche in den Aussagen erklären. Überhaupt wirken die einzelnen Kapitel eher wie eine Aneinanderreihung von Interpretationsmustern, die nicht in eine einheitliche Konzeption im Sinne einer stringenten theoretischen Darstellung integriert wurden.
So schwanken die Ausführungen über die Wähler der REPs auch zwischen den Motiven „Protest“ und „Ideologie“ hin und her. Funke stellt einerseits fest, daß man die (jugendlichen) Wähler der „Republikaner“ nicht als Neonazis abtun könne und ein entsprechendes Wahlvotum Ausdruck einer verzweifelten Protestentscheidung sei (31), während er andererseits die Ursachen für die Wahlerfolge der Rechtsextremisten in der Reaktivierung und Aktualisierung traditioneller Mentalitätsbestände durch bestimmte Politikansätze sieht (101).
Beides trifft sicherlich zu, aber es gilt so lange als widersprüchlich, so lange die beiden Elemente in der Interpretation nicht miteinander verbunden werden. Warum soll das Protestverhalten nicht mit politischen, hier rechtsextremen Orientierungen einhergehen? Warum wählen die REP-Wähler nicht eine andere „Protestpartei“ (die augenblickliche Langweiligkeit der Grünen erklärt dies kaum)?
Selbstverständlich liegen einem Votum für rechtsextreme Parteien politische Orientierungen zugrunde. Nur darf dies nicht so verstanden werden, als ob in dem Wählerpotential eine politisch-programmatische Ideologie vorhanden sei; Denkmuster, Einstellungen und Verhaltensweisen rechtsextremer Art sind vielmehr emotionale Relikte und Konstrukte des alltäglichen Lebens.
Um einseitige Erklärungen zu vermeiden, hat Funke verschiedene Bereiche und Ebenen benannt, mit denen die Ursachen der rechtsextremen Wahlerfolge besser gefaßt und analysiert werden können:
1. „die aktuelle politische Situation und Agitation“,
2. „die Verhaltens- und Bewußtseinspotentiale, auf die sie trifft“, und
3. „die längerzyklischen kulturellen Traditionen und Mentalitätsbestände, die intergenerationell vermittelt sind“ (13).
Tatsächlich bilden diese das methodisch und letztlich auch politische Handwerkszeug, mit dem dem neuen Rechtsextremismus zu Leibe gerückt werden kann. Allerdings hat es der Autor in seinem Buch nur begrenzt verstanden, die einzelnen Bereiche in diesem Sinne miteinander zu verbinden.
Diese grundsätzliche Kritik will aber nicht den Materialreichtum von Funkes Buch leugnen. Das Manko besteht aber auch hier im Vorläufigen, die Ausführungen wirken, als seien sie noch nicht abgeschlossen. Zu wünschen wäre, daß der Autor seine durchaus anregenden Ansätze weiterentwickelt.
Armin Pfahl-Traughber
Hajo Funke: Republikaner. Rassismus, Judenfeindschaft, nationaler Größenwahn. Zu den Potentialen des rechtsextremismus am Beispiel der „Republikaner“, Berlin 1989, Aktion Sühnezeichen, 139 S., 8,80 DM
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