In Beirut wird auf allen Ebenen gepokert

■ Aoun bittet Paris um Vermittlung und Israel um militärische Hilfe / Syrien verstärkt seine Truppen / Frankreich schickt Kriegsschiff

Beirut/Berlin (ap/dpa/taz) - Die Machtprobe zwischen dem abgesetzten Oberbefehlshaber der Armee, Michel Aoun, und der neuen libanesischen Regierung sowie Syrien hat in den letzten 48 Stunden den Charakter eines erbitterten Pokers mit militärischem und diplomatischem Druck angenommen. Auf der politischen Ebene erklärte Aoun erstmals in einem Interview mit einer französischen Fernsehgesellschaft seine Bereitschaft zu einem Kompromiß mit Syrien und lud die Regierung in Paris ein, vermittelnd tätig zu werden. Auch mehrere Mitglieder der libanesischen Regierung sprachen davon, den Konflikt auf dem Verhandlungswege zu lösen. Der neue Präsident Elias Hrawi hatte den rebellischen Aoun am Dienstag seines Postens als Oberbefehlshaber der Armee enthoben.

Auf der militärischen Ebene verstärkten die syrischen Truppen ihre Stellungen in der Umgebung des Christengebiets. Aoun konterte mit der Bitte an Israel, militärische Hilfe zu leisten, falls Syrien das Christengebiet angreifen sollte. Der israelische Verteidigungsminister Jitzhak Rabin hatte am Mittwoch öffentlich mit dem militärischen Eingreifen seines Landes gedroht, falls Jerusalem seine strategischen Interessen im nördlichen Nachbarland in Gefahr sehe - eine Äußerung, die sich an die Adresse Syriens richtete. Der ehemalige Stabschef der Armee und jetzige Angeordnete, Rafael Eitan, meinte, Aoun sei der einzige, der bereit sei, sich den Syrern zu widersetzen. „Israel sollte einen solchen Mann unterstützen,“ erkläte Eitan. Der Befehlshaber der Luftwaffe, Avihu Bin-Nun, wies darauf hin, daß vermehrte syrische Flüge über dem Libanon die Gefahr eines Zusammenstoßes mit israelischen Patrouillenflugzeugen in sich berge.

Im Hinblick auf mögliche Vermittler im libanesischen Machtkampf hätte es der Einladung Aouns an die traditionell christenfreundliche ehemalige Mandatsmacht Frankreich kaum bedurft, um die Regierung in Paris zu mobilisieren. Sonderbotschafter Francois Sheer reiste bereits am Dienstag in den Libanon und anschließend nach Damaskus. Außerdem lief das französische Kriegsschiff „Orage“ in Richtung Libanon aus, offiziell, um notfalls französische Staatsbürger zu evakuieren. Daß auch diese Aktion Teil des allgemeinen Pokers ist, zeigt sich nicht zuletzt an der Erklärung des Pariser Außenministeriums, in der es hieß, Frankreich werde nicht auf Seiten derer stehen, die für eine Wiederaufnahme der Gewalttätigkeiten verantwortlich seien - im Klartext: Syrien. Diese Erklärung steht in eklatantem Gegensatz zu einer Stellungnahme aus Washington. Die US-Administration appellierte an alle Parteien, Zurückhaltung an den Tag zu legen und forderte Aoun und seine Anhänger auf, ihre persönlichen Animositäten hintanzustellen und dem Wunsch nach der Etablierung einer verfassungsmäßigen Regierung Folge zu leisten - eine indirekte Aufforderung an Aoun, das Handtuch zu werfen. In einem Kommentar von 'Le Monde‘ wurde dieses Statement promt als „wenig verständlich“ bezeichnet, ungeachtet der Tatsache, daß auch die Pariser Regierung dem Abkommen von Taif und der neuen Regierung ihre Unterstützung ausgesprochen hatte. Rückendeckung erhielt Aoun von gut dreißig oppositionellen französischen Abgeordneten, die sich am Mittwoch nach Beirut begaben. Die Libanonpolitik Frankreichs sorgt leicht auch für innenpolitischen Zündstoff an der Seine.

b.s.