Anschlag auf die Macht

■ Banker Alfred Herrhausen Opfer eines Bombenattentats

„Generalstabsmäßig vorbereitet“ sei das Attentat gewesen, so die erste Stellungnahme des Bundeskriminalamtes. In ihrer Verurteilung des Mordanschlags waren sich alle Parteien im Deutschen Bundestag einig. Trotz fehlendem Bekennerschreiben zweifelte spontan niemand daran, daß die Urheber in den Reihen der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) zu suchen seien. Die Haushaltsdebatte rückte in den Hintergrund, an diesem Tag gab es im Bundestag nur die „Gemeinsamkeit der Demokraten“.

Bad Homburg (taz) -Als gestern gegen 13.30 Uhr der Leichenwagen in der Bad Homburger Seedammstraße vorfährt, um den toten Körper des ehemaligen Vorstandssprechers der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, abzuholen, sind seit dem Attentat genau fünf Stunden vergangen. Die Beamten von der Spurensicherung des Bundeskriminalamtes (BKA) und des hessischen Landeskriminalamtes (LKA) hatten die Umgebung des Thermalbades „Taunustherme“ auf der Suche nach weiteren Sprengkörpern durchkämmt, Bundesinnenminister Schäuble und sein hessischer Kollege Gottfried Milde sich vor Ort informiert und Feuerwehr und Polizei den Tatort weiträumig abgesperrt, um Hunderte von Journalisten und andere Neugierige fernzuhalten. Während all dieser hektischen Aktivitäten der Polizei und der kurzen Statements von Pressesprechern und Ministern lag der tote Alfred Herrhausen in seinem ausgebrannten Benz, den Polizeifahrzeuge „aus Pietätsgründen“ (BKA) umstellt hatten.

Nach dem Abtransport der Leiche umreißt Willi Fundermann vom Bundeskriminalamt das Anschlagsszenario: Möglicherweise getarnt mit einem Fahrrad habe der selbstgebastelte Sprengkörper am Straßenrand gelegen und sei exakt in dem Moment ferngezündet worden, als der von zwei weiteren Fahrzeugen gesicherte Wagen von Herrhausen die Stelle „in voller Fahrt“ passierte. Die Wucht der Explosion habe die Forderfront des Fahrzeugs zerrissen, der sofort in Flammen aufging. Ein Sicherheitsbeamter aus einem Begleitfahrzeug habe noch versucht, mit dem Feuerlöscher die Flammen einzudämmen. Für Herrhausen jedoch sei jede Hilfe zu spät gekommen. Wie durch ein Wunder dagegen sei der Fahrer „nur“ verletzt worden. Der Mann stehe unter Schock und habe deshalb noch nicht vernommen werden können. Eine zunächst angekündigte Pressekonferenz der Herren Schäuble und Milde wird gegen Mittag abgesagt. Generalbundesanwalt Rebmann, so sein Sprecher, behalte sich alle Auskünfte vor.

Noch im Nachbarort Friedrichsdorf habe man den Knall gehört, berichtet ein Rentner, der „aus Interesse am Medienauftrieb“ nach Bad Homburg gekommen ist. Und ein Schüler erzählt, daß das Auto seiner Mutter „gebebt“ hätte, als die ihn vor der gut 200 Meter vom Tatort entfernten Schule habe absetzten wollen. Gerüchte, wonach zum Zeitpunkt der Explosion mehrere Kinder an der Bushaltestelle auf der dem Anschlagsort gegenüberliegenden Straßenseite auf den Schulbus gewartet hätten, will Hessens Innenminister Milde auf Nachfrage weder bestätigen noch dementieren; alle Tatzeugen würden - sofern sie nicht unter Schockeinwirkung stünden - noch vernommen.

Das Attentat auf Herrhausen sei „generalstabsmäßig vorbereitet“ worden, meint im Anschluß ein BKA-Beamter im Gespräch mit Journalisten. Die Täter, so die Mutmaßung des Beamten, müssen Herrhausen, der nur wenige hundert Meter vom Anschlagsort entfernt wohnte, „wochenlang beobachtet“ haben, denn in ihrer Sicherheit gefährdete Personen würden nie zur gleichen Zeit ihre Wohnungen verlassen. Ein „eiskaltes und feiges Verbrechen“ sei der Mord an Herrhausen gewesen, hatte Hessens Ministerpräsident Walter Wallmann schon am Vormittag erklärt. Der Anschlagsort gehört zu den belebtesten Straßenzügen Bad Homburgs, denn die „Taunusthermen“ sind ein beliebtes Ziel für Kurgäste und Einheimische. Der Sprengsatz explodierte nur wenige Meter vom Eingang des Thermalbades entfernt. Und auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich die erwähnte Bushaltestelle sowie die Einfahrt einer Tiefgarage.

Auch Landesvorstand und Landtagsfraktion der hessischen Grünen verurteilen einhellig die „verabscheuungswürdige Tat“. Jeder Versuch der politischen Begründung sei deshalb nichtig: „In einer demokratischen Gesellschaft ist Gewaltfreiheit das höchste Prinzip der Politik.“

Klaus-Peter Klingelschmitt