Jetzt hat Bremen 'ne kurze Loire

■ Das Flüßchen Ochtum auf 5,4 km in ein teures neues ökologisches Flußbett verlegt

Auch NeubremerInnen wissen's: Bremen liegt an der Weser. Nach den ersten Fahrradtouren wissen sie noch mehr, haben die maleri

sche Wümme gesehen, sind die Lesumdeiche abgeradelt. Nur unter „Ochtum„ können sie sich auch nach Jahren nichts rechtes vorstellen. Dieses schnurgerade kanalisierte Flüsschen floß im Süden zwischen Deichen eingekeilt, kam noch vor einem Jahr direkt am Zaun des Flughafengeländes vorbei und trennte die Stadtteile Neustadt und Grolland. 1988 aber wurde die Ochtum zur „größten Naturbaustelle Bremens“. Und gestern stellte Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte die neue Ochtum als „Europas schönsten neugeschaffenen Flußlauf„ vor. Ihr Senatsdirektor Jürgen Lüthge fühlte sich gar an die Loire erinnert.

So unauffällig die Ochtum früher auch immer gewesen war, das Flüsschen Ochtum war, weil es auf einem kurzen Stück das südliche Ausdehnen des Flughafens verhinderte, seit über 25 Jahren den Stadtplanerinnen ein Dorn im Auge. Anfang der 60er Jahre wurden bereits die ersten Skizzen gezeichnet, die die Ochtum in großem Bogen nach Süden, zwischen die Stadtteile Grolland und Huchting verlegten. Inbegriffen in der neugeplanten Ochtum war eine schnurgerade Kanuregattastrecke, außerdem garnierten die PlanerInnen die neue Flußniederung mit einem Autobahnzubringer und einer Eisenbahntrasse. Bei späteren Planungen zeichne

ten sie einen Wassersporthafen ein. In den 70er Jahren dagegen, als die Landschaftsarchitekten begannen, ökologisch zu denken, schmückten sie den gedachten neuen Flußlauf mit ein paar Kurven und Schlingen. Allein: Die Pläne kamen aus den Schubladen nie recht heraus - u.a. auch weil sich die Behördenvertreter zwischendurch einen Großflughafen in der Nähe des niedersächsischen Hude erträumt hatten.

Erst Mitte der 80er Jahre wurde das Planfeststellungsverfahren „Ochtumverlegung“ eingeleitet. Begründung: Der bisherige Ochtum-Deich gefährde die Flugsicherheit, da er verhindere, daß die vorhandene Start -und Landebahn des Bremer Fughafens in voller Länge genutzt werde. UmweltfreundInnen in und außerhalb der Bremer Umweltbehörde konnten in langwierigen Verhandlungen erreichen, daß die Ochtum-Verlegung nicht als schnurgerade „Billiglösung“ erfolgte, sondern als Flußlandschaft mit Inseln und Halbinseln auf denen keine Fußgängerin eine Reiherente stören kann, mit Nebenarmen, in den Fische nach Lust und Laune laichen können, mit ungebändigter flacher Wasserfläche, die nur in der Nähe der Brücken in ein Bett eingezwängt ist. Die Senatorin in ihrer Rede: „Ziel war es, einen naturnahen Flußlauf anzulegen, dessen An

lage sich sehr stark an den für Norddeutschland früher typischen Flußläufen orientiert.“ über 22 Millionen Mark kostete dieser schöne neue Flußlauf - ohne Grundstückskäufe. In einer Rekordzeit von nur einem Jahr Bauzeit schafften Bauarbeiter mit 20 LKWs, 15 Baggern und 5 Planierraupen die neue mäandrierene Ochtum. Auf einer Strecke von 5,4 km fließt hier „Europas schönster neugeschaffener Flußlauf“, dann stößt die neue verschlängelte „Huchtinger Ochtum“ wieder mit der alten kanalisierten „Grollander Ochtum“ zusammen. Letztere wurde als Altarm in ihrem alten kanalisierten Bett belassen. Zugeschüttet wurde sie nur da, wo sich der Flughafen ausdehnen will. Skeptisch sah ein Grollander Umweltschützer der Ochtum-Einweihung zu: „Man verpflanzt die Natur und weiß nicht, was dann kommt. Bei Tschernobyl war es das gleiche, und jetzt strahlt das Plutonium noch 25.000 Jahre.“ Die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Elisabeth Hackstein war dagegen angetan von der verlegten Ochtum: „Die alte war ja kein Fluß mehr, sondern nur noch ein Graben.“ Zu ihrer vollen Zufriedenheit fehlte der Ökologin „nur noch einer, der erfolgreich gegen den Ausbau des Flughafens klagt.“

Barbara Debus