„Bremer Musikerschaft ist beleidigt worden“

■ Landesmusikrat kündigt „Ende der Bescheidenheit“ an / Senator Franke hat Vertrauen verloren, Klaus Bernbacher fordert „personelle Änderung“

Das „Ende der Bescheidenheit“ ist gekommen, das hat der Vorsitzende des Bremer Landesmusikrates, der Dirigent Klaus Bernbacher, schon vor Wochen angekündigt. Wenn die Stadt einige Millionen für ein teures Musikfest hat, dann brauchten auch die bremischen Musik-Interessen sich nicht in Selbstbeschränkung üben. Nun liegt der Haushaltsentwurf für 1990 vor, der in einigen Tagen im Landesparlament behandelt werden soll, und der Kultur-Etat liegt weiter „unter ein Prozent“ des Gesamtetats, rech

nete der Landesmusikrat gestern vor. Drei Prozent hatte der Deutsche Städtetag vorgeschlagen.

Für die Förderung der freien Kulturgruppen sind traditionell 2,3 Millionen Mark aus Lottomitteln vorgesehen, das ist zufällig dieselbe Summe, die an drei Oktober -Wochenenden fürs Musikfest ausgegeben wurden, betonte der Radio-Bremen-Redakteur Peter Schulze, der auch im Landesmusikrat sitzt. 3 Millionen Mark, im Haushalt abgesichert, müßten für allgemeine Kulturpflege und freie Gruppen hinzukommen,

forderte Bernbacher.

Einzelne konkrete Wünsche oder Forderungen haben die Vertreter der Bremer Musikerschaft mehrfach angemeldet. Ein großer Konzertsaal fehlt, undenkbar in der Landeshauptstadt Bremen, was sich die kleine Stadt Lübeck leistet: sie baut, berichtete Bernbacher, demnächst für 60 Millionen eine große Musikhalle. Aus der Schule plauderte Landesmusikrat-Vize Horst Menzel: die SchülerInnen haben bis zur 10. Klasse nur jeweils das halbe Schuljahr lang Musikunterricht,

und selbst dieser fällt oft aus. An seiner Schule, dem Schulzentrum Sebaldsbrück, gebe es zum Beispiel im gesamten Hauptschul-Zweig keinen Musik-Unterricht, konnte der Lehrer berichten. Insgesamt dürften in Bremen 100 Musiklehrer fehlen.

Künstlerförderung findet überhaupt nicht statt. Seit Jahren ist z.B. der Bremer Förderpreis für junge KomponistInnen nicht mehr vergeben worden, es gibt sogar einen Vorstoß, diesen bescheidenen Preis (dotiert mit ganzen 5000 Mark) ganz abzuschaf

fen. Die Abteilung Musik der Hochschule ist nicht hinreichend ausgestattet usw usf.

Von einem Senator, der die örtliche Kultur-Landschaft derart schlecht bediene, wollen sich die Bremer Musiker nicht „Provinzialität“ vorhalten lassen. Dies hatte Horst -Werner Franke in der Diskussion um das „Bremer Musikfest“ getan. „Die Musikerschaft Bremens ist beleidigt worden“, meinte Bernbacher. Und dann zog er eine vernichtende Bilanz dieses Ereignisses aus dem Oktober: Da sei „mit viel Geld Programm zusammengekauft worden“, die meisten der engagierten Gruppen wären „zu vernünftigen Honoraren“ auch sonst nach Bremen gekommen. Daß die von dem Senator angegebene Zahl von 2,3 Millionen Mark Kosten stimmen, zweifelt der Landesmusikrat an. Zudem sei völlig offen, wie hohe Prozeßkosten auf den Verein Musikfest zukommen: sein erster, schnell gefeuerter Geschäftsführer klagt vor dem Arbeitsgericht, zwei engagierte Ensembles klagen auf Konventionalstrafe, weil sie kurzfristig ausgeladen wurden.

In der Organisation des Musikfestes hätten Beamte aus der Behörde „herumdiletiert“, auf deren Schreibtischen sich in der Zeit die eigentliche Arbeit stapelte, berichtete Peter Schulze. Die Tatsache, daß der Senatsdirektor

Hoffmann Vorsitzender des privaten Trägervereins Musikfest sei und in seiner Eigenschaft als Behördenleiter Mitarbeiter zur Arbeit in seinem privaten Verein abstelle, die in der Abrechnung natürlich nicht auftauchen, kommentierte Bernbacher mit einem: „In Bremen ist alles möglich.“ Vorstandskollege Wolfgang Schäfer meinte, das sei eben „schlechte politische Kultur“.

Schon vor dem Musikfest hatte der Landesmusikrat davon gesprochen, daß es sich um eine „Eintagsfliege“ handele. Ende Oktober hatte Senator Franke noch erklärt, bis zum Ende dieses Jahres sollte mit den bremischen Musik-Gruppen gesprochen werden, um den Boden für ein neues Musikfest in zwei Jahren zu bereiten. Von Einladungen zu Gesprächen hat der Landesmusikrat allerdings bis gestern nichts gehört. Auch bezweifelt dieses Gremium, daß der Organisator des Musikfestes, Thomas Albert, zur Integrationsfigur geeignet ist.

„Hat dieser Senator eigentlich noch das Vertrauen der Musikschaffenden in dieser Stadt“, fragte Bernbacher und verwies darauf, daß im Senat eine Kollegin - die Senatorin Vera Rüdiger - sitzt, die in Hessen einmal Kultur-Ministerin gewesen ist: „Es ist gar nicht so einfach in der Bremer SPD, jemanden für Kultur zu finden.“

K.W.