Gegen Angst, Hysterie und Diskriminierung

■ Umgang mit HIV-Infizierten und Aidskranken im Betrieb: Neues Beratungsprogramm der Gesundheitsbehörde vorgestellt / Zehnköpfiges Team aus PsychologInnen, JuristInnen und SozialwissenschaftlerInnen berät Manager und Arbeiter vor Ort

„Für HIV-Infizierte und Aidsskranke ist eine Entlassung noch schlimmer, als Entlassungen es sowieso sind. Denn sie bedeuten eine zusätzliche soziale Isolierung, eine Demontage des Selbstbewußtseins. Außerdem ist das zusätzlicher Streß, der den Ausbruch der Krankheit fördern und zu einem schnelleren Tod führen kann.“ So beschrieb gestern ein betroffener Arbeitnehmer die Ausgrenzung und Diskriminierung, der HIV-Infizierte und Aidskranke an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt sein können. Der Mann sprach anläßlich einer Tagung, auf der Gesundheitssenatorin Stahmer (SPD) ein neues Beratungsangebot der Arbeitsgruppe Aids des Landesinstitus für Tropenmedizin (LiTrop) vorstellte.

Ein zehnköpfiges Beratungsteam aus PsychologInnen, PädagogInnen, JuristInnen und SozialwissenschaftlerInnen steht ab sofort Berliner Betrieben und Verwaltungen zur Verfügung. Damit gibt es in Berlin zu ersten Mal eine hauptamtliche Beratung zum Thema HIV/AIDS in der Arbeitswelt. Das über ABM-Maßnahmen finanzierte Team soll Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei der Lösung von Konflikten, die im Umgang mit HIV-Infizierten und Aidskranken entstehen, Hilfestellung leisten. Vermittelt werden Strategien und Vorgehensweisen vor Ort, um Spannungen, Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeiten zu vermeiden. „Irrationale Reaktionen, unbegründete Ängste und Hysterie sollen verhindert werden, unser Ziel ist ein Klima der Toleranz“, sagte Edeltraud Meyer, Ärztin im LiTrop, die das Team mit aufgebaut hat. Außerdem sollten Informationen über Prävention vertieft werden.

Klemens Messing, Leiter der Aids-Arbeitsgruppe am LiTrop wies darauf hin, daß Berlin mit rund einem Fünftel aller bundesdeutscvhen HIV-Infizierten und Aidskranken am stärksten mit der Problematik Aids am Arbeitsplatz konfrontiert sei. Nach Schätzungen des LiTrop sei in Berlin etwa jeder hundertste Arbeitnehmer HIV-infiziert. Weil der Arbeitsplatz „ein idealer Ort“ für Präventions- und Anti -Diskriminierungsarbeit sei und in der Vergangenheit verschiedentlich Betriebe HIV-Infizierten gekündigt und Arbeitskollegen die Zusammenarbeit mit Betroffenen verweigert hätten, habe das LiTrop schon seit 1987 punktuell Betriebe beraten. Es habe aber an Geld gemangelt. Nun sei durch die Mitfinanzierung der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung auch ein „aktives Herangehen an die Betriebe möglich.

Wie die Beratung konkret ablaufen soll, beschrieb Edeltraud Meyer vom LiTrop. Zunächst sei ein Vorgespräch in den jeweiligen Führungsetagen notwendig, um die Zielgruppen und den bisherigen Umgang mit HIV/Aids abzuklären. Es werde ein Positionspapier für die Firma entwickelt, in dem der Umgang mit dem Problem beschrieben werde. Dann sollten die Belegschaften informiert werden, „aber nicht am Einzelfall, als gesondertes Thema, sondern in andere Themen integriert“. Damit sollten Überreaktionen verhindert werden. Daneben stünde das Beratungsteam aber auch für „Kriseninterventionen“ bereit, wenn es in Betrieben zum Konfliktfall komme. Das Beraterteam ist unter den Telefonnummern 30 32 - 893 und 30 32 -674/675 zu erreichen. Dort kann auch eine umfangreiche Broschüre bestellt werden, die über Erste Hilfe, Prävention und sozialrechtlkiche und juristische Aspekte informiert.

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