Asbest-Alarm: Die Mauer unter Glas!

■ US-Wissenschaftler weist hohe Asbestkonzentration in Mauerbrocken nach / Ostberliner Behörde leitet Untersuchung ein / Hat nun auch die AL einen Grund zum Abriß?

Die Touristen, die von ihrem Berlinbesuch einen Brocken Schandmauer mit nach Hause gebracht haben, besitzen möglicherweise ein gefährliches Souvenir. Der US -amerikanische Wissenschaftler John Feero aus Oklahoma City bestätigte gestern gegenüber der taz, daß er bei Gesteinsproben aus der Mauer eine Asbestkonzentration von bis zu 75 Prozent festgestellt hat. Feero konnte Asbestzement und Asbestfasern nachweisen.

Feero, Angestellter des staatlichen Gesundheitsministeriums im Präriestaat Oklahoma, hatte die Proben zu Anfang der Woche von einem deutschen Studenten erhalten.

Der hatte die Klumpen in der Nähe des Grenzübergangs Checkpoint Charlie aus der Mauer gehauen und als Andenken mitgenommen. Zurück in Oklahoma City, schwante seinen chemiebeflissenen Gasteltern Böses - sie brachten die Brocken zur Untersuchung.

Die asbesthaltigen Mauerstücke wurden nach Feeros Recherchen aus der Brüstung gebrochen. In den Brocken, die aus dem Rumpf stammten, ließ sich nichts nachweisen. Feero zur taz: „Ich würde jedem abraten, die Mauer mit der Spitzhacke oder dem Hammer zu bearbeiten, da die gefährlichen Stoffe vor allem beim Aufbrechen des Gesteins freigesetzt werden!“ Für Menschen, die in der Nähe der Mauer wohnten bestünde aber keine Gefahr, das Ganze sei nur eine „geringgfügige Bedrohung“.

Dem Leiter der Ostberliner Bezirkshygieneinspektion, Clemens, ist von Asbest in der Mauer bisher nichts bekannt. Die Untersuchung aus den USA nimmt er trotzdem ernst: „Ich werde das untersuchen lassen!“ versprach er der taz. „Das Monstrum wurde ja Anfang der sechziger Jahre gebaut, da war die Asbest-Gefahr noch kein Thema!“ Eine entsprechende Untersuchung durch den Westberliner Umweltsenat wird es nicht geben. Schreyer-Sprecher Rogalla: „Wir können schlecht was aus der Mauer hauen. Das würden die drüben als unfreundlichen Akt auffassen!“

Vor allem in den USA hat sich in den letzten Wochen ein schwunghafter Handel mit Mauerresten entwickelt. Schon zwei Tage nach dem 9. November verlosten und verkauften Radiostationen in Boston und Chicago „Brocken der Freiheit“ (Stückpreis: 30 Dollar) an symbolbegeisterte Bürger und stießen ins Siegeshorn: „Seit 48 Stunden ist die Mauer weg schon funktioniert der Kapitalismus.“

Auch Hans-Dietrich Genscher brachte US-Präsident George Bush ein Asbestpräsent mit ins Weiße Haus. „Wer sowas zu Hause rumliegen hat, sollte das lieber unter Glas legen oder in eine Plastiktüte wickeln!“ sorgt sich denn auch John Feero um seinen Präsidenten.

Claus Christian Malzahn