DFD: Dienstbar-Folgsam-Dumpf

■ Wird der „Demokratische Frauenbund Deutschland“ in der DDR aufgelöst? Viele Frauen halten ihn für nicht reformierbar. Doch die neue Bundesvorsitzende, Eva Rohmann, gibt sich und ihrem Bund doch noch eine Chance. Ist sie ein Wendehals? Ein Interview

taz: Auf der Demonstration am 4.November trugen Frauen ein Transparent mit der Aufschrift: Schluß mit dem DFD! Diese drei Buchstaben waren übersetzt mit: Dienstbar-Folgsam -Dumpf. Trifft Sie das?

Eva Rohmann: Eine solche Charakterisierung trifft einen natürlich persönlich. Auch wenn man weiß, daß man doch schon eine Reihe von Jahren in dieser Organisation im Interesse der Frauen eine sehr intensive und von mir aus gesehen auch immer eine sehr ehrliche und anstrengende Arbeit geleistet hat. Aber ich muß auch sagen, daß manchmal solche Transparente auch von Menschen getragen werden, die über die eigentliche Arbeit, die der DFD ja im Wohngebiet bisher leistete, nicht in vollem Umfang informiert sind. Es gibt auch andere Transparente, die wenige Tage später im Lustgarten getragen wurden. Dort wurden die Buchstaben DFD interpretiert mit „Deutlich für Demokratie“. Das zeugte also auch davon, daß es Frauen und Mitglieder unserer Organisation gibt, die sehr klar und eindeutig sich für die Erneuerung des DFD aussprechen.

Es gibt Frauen in der DDR, die sich im DFD auskennen, die sagen, der DFD ist nicht reformierbar, der DFD wird die Erneuerung nicht überleben. Er wird entweder aufgelöst oder sich selbst auflösen.

Da wir in einer sozialistischen Gesellschaft leben, die als Grundprinzip den Optimismus haben muß, gehe ich nicht davon aus, daß sich der DFD auflösen wird. Ich weiß, daß Tausende von DFD-Gruppen gerade in den letzten Wochen in den Wohngebieten oft die einzige politische Kraft waren, die überhaupt Frauen zu Gesprächen zusammengerufen haben. Wir haben aber als erstes gesagt: Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Daß wir hier Beschlüsse fassen und die dann in der Organisation bis unten durchzuführen sind. Vielmehr haben wir mit dieser Bundesvorstandssitzung aufgerufen, die Mitglieder unserer Organisation und darüber hinaus alle Frauen, in eine große Diskussion einzusteigen und ihre Vorschläge zur Erneuerung des DFD miteinzubringen.

Also weg davon, die Interessen der Partei gegenüber den Frauen zu vertreten, sondern mehr die Fraueninteressen gegenüber der Regierung zu vertreten.

Bereits in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten hat sich ja ein Vorschlag des DFD niedergeschlagen, den wir vorher unterbreitet haben.

Welcher?

Die gegenwärtige Interessenvertretung der Frauen auch in der Volkskammer entspricht nicht den Zeichen der Zeit und den Anforderungen, die die Frauen an ein Parlament haben. Wir haben konkret vorgeschlagen, daß in der Volkskammer ein Ausschuß für Frauenfragen gebildet wird. Und daß auch solche Ausschüsse für Frauenfragen bis hinunter in die Bezirkstage und Kreistage entstehen. Es gibt in unserem Lande auch Vorstellungen über ein Frauenministerium. Aber ich will hierzu meine Meinung nicht verschweigen: Wenn wir in der DDR mit dem Prozeß der Erneuerung des Sozialismus dazu kommen, daß das Parlament bestimmt, wie die Regierung arbeitet, dann ist es nach unserer Auffassung wichtiger, im Parlament einen solchen Ausschuß zu haben, der dann in der Lage ist, bestimmten Ministerien Aufträge zu erteilen oder Forderungen zu stellen im Interesse der Frauen, als nun wieder einen Apparat, ein Frauenministerium zum Beispiel zu haben. Dann können die anderen Ministerien sagen: Frauenfragen kann dieses Ministerium machen, und wir sind „raus aus der Sache“.

Sie haben gesagt, sie wollen sich den Alltagsproblemen der Frauen mehr zuwenden. Zu einem der größten Tabus in der DDR gehört das Thema: Gewalt gegen Frauen - Vergewaltigung, sexueller Mißbrauch von Kindern. Werden Sie sich um diese Tabus kümmern?

Wir haben gesagt, die Gruppen des DFD in den Wohngebieten und vor allem auch unsere fast 20.000 Abgeordneten, die wir ja auch haben und die gewählt sind und die eine große Kraft darstellen, die bisher ungenutzt im Interesse der Frauen blieb, sollen keinerlei Tabus kennen und mithelfen, solche in der Gesellschaft vorhandenen Tabus zu überwinden.

Es ist aber auch eine Sache, ob es dafür eine Öffentlichkeit gibt. Ob das Thema in der Zeitung zu lesen ist und dann Frauen sagen können: So geht's mir auch, ich bin ja doch nicht allein.

Ich bin überzeugt, daß unsere Frauenorganisation sich auch solchen Fragen zuwenden muß. Es ist allerdings eine Tatsache, daß die Frage von Gewalt gegen Frauen und auch sexueller Mißbrauch von Kindern in der DDR ja entsprechend unseren Gesetzen immer mit größter Konsequenz und mit großer Härte verfolgt wurde. Daß es hier eine gewisse Dunkelziffer gibt, ist uns auch bekannt, und dem müssen wir uns stellen.

Es gibt ja in der DDR kirchliche Frauengruppen, feministische Initiativen. Gehen Sie auf diese Gruppierungen zu?

Wir werden das als Bundesvorstand tun. Das ist eine entscheidende Frage, über die Arbeit in unserer Organisation hinaus in Kontakt mit solchen Frauengruppen zu kommen. Wir wollen für sie offen sein. Wir werden versuchen, uns an einen Tisch zu setzen, zu beraten, was im Interesse der Erneuerung des Sozialismus in diesem Land gemeinsam getan und gemacht werden kann und was dabei den Frauen nützlich sein kann im Zusammenwirken.

Es gibt Frauen, die seit längerer Zeit Räume suchen zum Beispiel für eine Frauenbibliothek. Werden sie jetzt Räume bekommen unter dem Dach eines DFD-Beratungszentrums - auch wenn sie nicht im DFD sind?

Das ist eine interessante Frage, die sich nicht nur auf eine Frauenbibliothek bezieht, sondern auch auf andere Dinge, wo Frauen, zum Beispiel im Sinne eines Frauenzentrums wirken könnten. Da muß man aber die ganz konkreten materiellen Möglichkeiten beachten.

Es gibt in der DDR den Begriff „Wendehals“. Sind Sie ein Wendehals?

Ich möchte hierzu klar sagen, daß dieser Prozeß, der in unserem Land eingeleitet ist, ein schwieriger und komplizierter Prozeß ist. Und daß man hierbei auch sehr ernst und ehrlich vor sich selbst überprüfen muß, was man bisher gemacht hat. Ich habe meine Arbeit, auch in der Frauenorganisation in den vergangenen Jahren hier immer in der Überzeugung gemacht, daß ich mit dazu beitrage, die Politik, die im Interesse der Frauen in diesem Land bisher gemacht wurde, durchzusetzen. Das Leben hat uns in einer Reihe von Punkten gezeigt, daß wir nicht in allen Fällen mit unserer Arbeit dem entsprochen haben, was die Frauen von uns erwarten. Aber wir haben auch sehr viel für die Frauen geleistet, und davon möchte ich mich nicht distanzieren. Sondern ich möchte sagen, das ist ein Prozeß, in dem man selbst wirklich viel lernen muß. So möchte ich das verstanden wissen und mich nicht als Wendehals betrachten.

Interview: Henriette Wrege