Gorbi zum Plausch beim Papst

■ Himmel und Hölle treffen sich beim Heiligen Stuhl / Gorbi und der Papst wollen sich gemeinsam für den Frieden einsetzen / Der Oberhirte bittet für seine Schäfchen im Reich des Kremlfürsten

Vatikanstadt (dpa/afp) - Eine Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und der politischen Führung in der Sowjetunion für den Frieden in der Welt sei jetzt möglich geworden, sagte Johannes PaulII. in einem Gespräch unter vier Augen mit dem sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow. Der Kirchenfürst hatte sich mit seinem weltlichen Kollegen am Freitag vormittag in der päpstlichen Privatbibliothek im Vatikan zu einem Plausch getroffen. Die jüngsten Entwicklungen in der Sowjetunion und die neuen Perspektiven, die sich der Welt durch die Reformpolitik in Osteuropa eröffnet hätten, gäben auch Anlaß zu der Hoffnung, daß sich auch die Lage seiner Schäfchen in der Sowjetunion ändern werde. Der Oberhirte der katholischen Kirche spielte damit auf eine Gesetzesinitiative zur Gewissensfreiheit an, die das sowjetische Parlament in den kommenden Monaten beraten wird.

Die katholische Kirche sei heute mehr denn je bereit, mit allen denen zusammenzustehen, die der Menschlichkeit und dem Fortschritt der Nationen dienen wollten. Der Papst und der sowjetische Parteichef kündigten die Aufnahme „offizieller Beziehungen“ an.

Gorbatschow, der als erster Generalsekretär der KPdSU mit einem Papst zusammentraf, sprach von der Begegnung als einem „wahrlich außerordentlichen Ereignis“. Der Dialog mit Papst Johannes PaulII. sei von einem „hohen Grad an gegenseitigem Verständnis und von der Bereitschaft geprägt gewesen, den Dialog mit konkreten Aktionen zu füllen“. Die Wahrung der nationalen, staatlichen, geistigen und kulturellen Identität seien unverzichtbare Bedingungen für Europa und die Welt, damit die Menschheit „die historische Wasserscheide überschreiten kann, um zu einer neuen Periode des Friedens zu gelangen“, sagte der Kreml-Chef nach dem Gespräch beim Heiligen Stuhl. Der Besuch endete, indem Gorbi und der Papst Geschenke austauschten und dem vatikanischen Fotografen für ein Erinnerungsfoto im päpstlichen Fotoalbum posierten.

Am Freitag morgen war der sowjetische Politiker vom italienischen Staatspräsidenten Francesco Cossiga im Quirinalspalast in Rom mit militärischen Ehren offiziell verabschiedet worden. Damit endete formal der Staatsbesuch Gorbatschows, der am Mittwoch in Rom eingetroffen war.

Der KPdSU-Generalsekretär reiste nach dem rund zweistündigen Aufenthalt im Vatikan nach Mailand weiter. Nach einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Italiens Ministerpräsident Giulio Andreotti machte er sich auf nach Malta, wo am Wochenende das Gipfeltreffen mit seinem amerikanischen Amtskollegen George Bush stattfindet.