Rüstung mit Rekordhaushalt

Trotz schwindenden Feindbildern und spektakulärem Umbruch in Osteuropa: 54 Milliarden Mark für die „Verteidigung“ der Bundesrepublik / Grüne und SPD monieren Bonner Anachronismus  ■  Von Gerd Nowakowski

Ohne Abstriche hat am Donnerstag abend die Regierungskoalition den Rüstungshaushalt verabschiedet, der mit 54,232 Milliarden Mark eine Steigerung von inflationsbereinigt - 2,8 Prozent bedeutet. Die Hinweise der Opposition, vor den Hintergrund der europäischen Veränderungen gebe es für steigende Rüstungsausgaben keine vernünftige Begründung mehr (Kleinert/Grüne), blieben vergeblich. Die SPD hatte eine Reduzierung um 3,2 Milliarden Mark gefordert, vor allem durch Kürzungen bei „offensivfähigen“ Waffen und beim Jäger 90. Diese Gelder sollten nach den Vorstellungen der SPD dem Wohnungsbau, der beruflichen Weiterbildung sowie dem Umweltschutz zugute kommen.

Bei den Grünen hatte Haushaltsexperte Hubert Kleinert einen detaillierten „Abrüstungshaushalt“ vorgelegt, der Einsparungen von 7,6 Mrd. Mark vor allem bei offensivfähigen Waffen vorsah. Dies wurde von Mitgliedern der Fraktion als nicht weitgehend genug kritisiert; auf Antrag der Abgeordneten Angelika Beer wurde die Summe pauschal um weitere fünf Mrd. auf insgesamt 12,6 Mrd. Mark erhöht. Nach dem Willen der Grünen sollten davon fünf Milliarden Mark in einen Devisenfond für die DDR fließen. Außerdem sollte eine „Bundesanstalt für Abrüstungsplanung“ eingerichtet werden.

Verteidigungsminister Stoltenberg bescheinigte dem Rekordhaushalt ein „verhaltenes Wachstum“, das auch in den nächsten Jahren beibehalten werde. Die Bundesregierung sei nicht bereit, die Bundeswehr zu demontieren. Demgegenüber kritisierte der SPD-Abgeordnete Kühbacher, die Regierung rüste ohne Sinn und Erfordernis. Der Verteidigungsetat sei wegen der Überlegungen zur Reduzierung der Truppenstärke der Bundeswehr schon im Augenblick seiner Verabschiedung „Makulatur“.

Sein Kollege Alfred Horn forderte, die Verlängerung der Wehrdienstzeit müsse rückgängig gemacht werden. Außerdem sei die von Kohl verkündete Annäherung an die DDR unvereinbar mit der Raketenmodernisierung im Kurzstreckenbereich. Den Aufbruch zu Freiheit und Demokratie in Osteuropa unter ein „atomares Damoklesschwert“ zu stellen, sei widersinnig. Hubert Kleinert wies auf die seit Jahren andauernde Entwicklung hin, bei der alte Bedrohungsszenarien ihre Glaubwürdigkeit verloren hätten. Selbst die USA rechneten inzwischen mit dem Abbau von Streitkräften, nur die Bundesregierung rechne mit zusätzlichen Ausgaben.