Rebmann: Beweise für RAF-Täterschaft

■ Karlsruher Bundesanwaltschaft berichtet über weitere Details des Attentats auf Alfred Herrhausen / Liefen die Vorbereitungen für den Anschlag schon im Oktober? / CSU-Streibl polemisiert heftig gegen Momper / Huber: Datenschutzgesetze behindern Fahndung

Karlsruhe/Berlin (dpa/ap/taz) - Nach dem Fund des „atypischen Bekennerbriefs“ der RAF präsentierte die Bundesanwaltschaft gestern einen ersten sogenannten „sachlichen Beweis“, mit dem die Urheberschaft der RAF am Mord von Wirtschaftsboß Herrhausen belegt wird. Die Prägemale der gefälschten Autokennzeichen, so Rebmann -Sprecher Förster, stimmten mit jenen Doublettenkennzeichen überein, die auch im Zusammenhang mit den Anschlägen auf Gerold von Braunmühl, Karl-Heinz Beckurts (Siemens) und Ernst Zimmermann (MTU) benutzt worden seien. Förster erklärte weiter, das Fluchtfahrzeug sei erst bei einer Frankfurter Firma gemietet worden und dann mit dem falschen, aber ebenfalls offiziell zugelassenen Kennzeichen F-ZC 662 versehen worden.

In einer weiteren Erklärung gab Rebmann nun die genaueren Kenntnisse über den Tatverlauf bekannt. Überraschenderweise haben die Ermittlungen ergeben, daß derselbe Anschlag offenbar bereits für Anfang Oktober vorbereitet worden sei. Damals habe ein Mitarbeiter des direkt am Tatort liegenden Freizeitzentrums „Taunus-Therme“ einen unter dem Asphalt versteckten Draht gefunden und herausgerissen. Ein solcher Draht sei auch jetzt benutzt worden, um die Bombe scharf zu machen. Die Explosion wurde dann durch das Durchfahren einer Lichtschranke ausgelöst.

Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft hätten die Täter

-wahrscheinlich als Bauarbeiter getarnt - bereits vor Wochen den Asphalt am Straßenrand aufgebrochen und einen zweiadrigen Draht entlang des Fußweges zur „Taunus-Therme“ verlegt, der rund 100 Meter vom Explosionsort an einem elektrischen Meßgerät angeschlossen gewesen sei. Mit diesem Gerät soll der Sprengsatz scharf gemacht worden sein, nachdem das vordere Begleitschutzauto die Lichtschranke durchfahren hatte. Da die Fahrtroute Herrhausens auf seinem Weg vom Wohnort zur Bank ständig zwischen verschiedenen Möglichkeiten wechselte (wieviel genau bleibt geheim) müssen die Täter über einen längeren Zeitraum auf der Lauer gelegen haben.

Nach ersten Zeugenaussagen hat die Polizei eine Täterbeschreibung konstruiert, die angeblich auf das gesuchte RAF-Mitglied Christoph Eduard Seidler zutreffen könnte. Der 31jährige wird seit 1985 per Haftbefehl gesucht. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt ihn auch der Teilnahme an den Anschlägen auf Beckurts und Braunmühl. Zumindest das ebenfalls tödliche Attentat auf den Siemens-Manager Beckurts sei ähnlich durchgeführt worden. Rebmann attestierte den Tätern den Ausbau der technischen Perfektion.

Keine Verschärfung, sondern ausnahmsweise den Abbau von Gesetzen fordert diesmal die CSU. Das Datenschutzgesetz, so ihr Generalsekretär Huber, habe sich als „hinderlich erwiesen“. Fahndungserfolge in anderen, weniger datensensiblen Ländern, würden dies beweisen. Der Fahndungsdruck in der BRD sei insgesamt zu lasch gewesen. Statt dessen habe man sich mit der „gespenstischen Debatte“ um Hafterleichterung für die RAF beschäftigt. CSU-Chef Waigel setzte im Bundestag noch eins drauf: „Der Anschlag ist auch die Eskalation eines unverantwortlichen Geredes über die angebliche Herrschaft eines militärisch -industriellen Komplexes in der Bundesrepublik“, befand der Bayer, offenbar in Unkenntnis darüber, daß der Begriff vom früheren US-Präsidenten Eisenhower geprägt wurde.

Ebenfalls mit dem Ziel, den politischen Gegner in die „geistige Nähe“ der Tat zu rücken, griff der bayerische Ministerpräsident Streibl den amtierenden Bundesratspräsidenten Momper an, der in einer Stellungnahme gesagt hatte, das Attentat sei ein „verzweifelter wie kläglicher Versuch, die ewiggestrige Spirale von Gewalt und Gegengewalt erneut in Gang zu setzen“. Streibl fand es „eine unglaubliche Unterstellung“, die Antwort des Rechtsstaates auf „feige mörderische Attentate“ als Gegengewalt zu diffamieren. SPD und auch FDP verbaten sich die Versuche der CSU, das Attentat parteipolitisch zu instrumentalisieren.

Als Reaktion auf den Mord zogen gestern mehr als 10.000 Bankangestellte in einem Schweigemarsch durch Frankfurt.

jg