Hurra! Wir sind immer mehr!

■ 40 Jahre BRD / Jubiläumsausgabe des Bremer Kabaretts „Libretto fatale“

Spätestens beim 40. ist man in Deutschland reif: Gnadenlos lassen die lieben Freunde das bejubelte Leben in Vers und Lied Revue passieren. Der Brauch will's.

Doch wer kann ahnen, daß ein buntes Beiprogramm so einschlägt, daß es über Delmenhorsts Parzellen hinaus bis in die naheliegende Großstadt bekannt wird? Renate Pawlowski, die jüngst von ihren „Libretto-Fatale„-Freunden damit beschert wurde, wohl am wenigsten. Am meisten dürfte Renate P. allerdings gewundert haben, daß das Publikum scheinbar gar nichts dagegen hatte, auf die angekündigte Kabarett -Sondernummer über 40 Jahre BRD zu verzichten. Das mondäne Publikum im alten „Up'n Swutsch„-Studio amüsierte sich köstlich, während Trümmerfrauen, Sexbomben, Wirtschaftswunder und Wohlstandswachstum - mit schwarzem Witz kommentiert - über die Bühne zogen.

Atmosphärisch wurden die

einzelnen Wachstumsstadien von Renate P. und BRD durch epochale Modegetränke unterspült. Die Heimorgel quälte dazu die alten Hits von Conny Froboess bis Pink Floyd hervor.

Am Gekicher ließ das Publikum (das altersmäßig mit Renate P. im Sandkasten gespielt haben könnte) erkennen, daß ihm Oswald Kolles „Orgasmus-Erfindung“, politische Grundsatzdiskussionen, emotionszentrierte Inner-journey, aber auch Töpfer-und Tangokurse nicht ganz fremd sind. Kein Wunder also, wenn während der Abschlußbilanz aus dem Jahre 1989, bei der Erfolg, Schein und Design obenan standen, einige ertappt auf die italienischen Schuhspitzen schielten.

Doch glücklicherweise wurde solch Selbstkritisches durch Werbung für gekaufte Frauen und geleastes Auto schnell zerstreut, bevors mit einem traurigen Parteienreigen weiterging: Den Auftakt machte die französische Komödie „Die FDP“, in der ein ältlich-li

bertinärer Geist allerlei Verwirrungen anzuzetteln geruhte. Vorwärts gings weiter mit einer sogenannten Proletarier -Operette. „Die SPD“ entpuppte sich jedoch schnell als Gospel, in dem der Messias Lafontaine herbeigebetet wurde. Hoffnungslosigkeit dagegen in der anschließenden Griechischen Tragödie „Die GRÜNEN“, in der selbst ein Chor aus „Klageweiber und KlageweiberInnen“ nicht fehlte, um den verlorenen Sohn Schily zu beweinen. Das letzte war allerdings eine Pappnasen-Farce, bei der sich einer mit den Worten „seit Berlin rede ich zuerst“ in den Vordergrund drängte. Frohnatürlich stimmte er sodann eine Adenauer-Hymne an, bei der die richtige Stimmung jedoch ausblieb: im Saal sang niemand mit.

Der Applaus bleibt dem „Libretto fatale“ und seinem schmissig-bissigen Programm. Das Lachen ist dabei niemandem vergangen. Zahme Satire. Leider.

Elke Weber