Pling!

■ „Oliver & Co“ - der neue und 27. Walt-Disney ist angelaufen / Oder so: Susi-Mieze und Aristostrolchs

Wenn eine Träne auf den Boden fällt und es macht „pling“ das ist Walt Disney. Das heißt, nachdem es pling gemacht hat, geht's ja weiter und hört nicht wie in allen anderen Filmen mit der Träne auf: da spritzen nämlich noch kleine Fontänen und das Ganze zerpufft noch mindestens zierlich und geht dann vielleicht als neuer Stern im Himmel auf. Natürlich ist in der einen kleinen Träne auch

das Elend der Welt enthalten, und zwar das ganze. Denn wenn Disneys Babys weinen, verläßt jeden nochmal seine Mutter.

Die Disneys müssen lauter dramatisch ungeliebte Kinder gewesen sein - wer sonst könnte derartige Inkarnationen von mutterseelenallein und dann doch noch geborgen detailgetreu nachzeichnen? Was heißt zeichnen! Es hat etwas von Wahnsinn an sich, zum

Beispiel New Yorker Straßenszenen und ihre großen Fluchten so zeichentrickig umzurealisieren. Und schließlich haben ja auch ganze Heerscharen von Zeichnern ihre genialsten Szenen in bekifftem Zustand geschaffen: das multihalluzinative Elefantenballett „Pink Elephants on Parade“ aus „Dumbo“ etwa, oder die fliegenden Einhörnchen zu Beethovens Pastorale in „Fantasia“, so

unverschämt kongenial pastos, daß man quietschen könnte vor Vergnügen.

Wie beim Catchen teilt die Disney-Welt in gut und böse, also in dich und mich. Das ist schlicht, das ist kitschig, das ist wunderbar. Das schadet nicht, daß das nicht wahr ist. Jedenfalls jubeln junggebliebene Kitsch-Voyeure und ziehen sich in den Kinosessel wie in ihr Fell zurück. Nur Feiglinge leihen sich jetzt wieder Kinder zum Kino.

„Oliver & Co“ ist die Geschichte von Oliver Twist auf Tier -Basis. Vollkommen frei von Charles Dickens. Ein Action -Melodram. Eine Geschichte von wahrer Freundschaft, von Heldentum, von Süßigkeit. Disney eben. Oliver ist in diesem Falle eine Katze, durch und durch verwaist, und das im Großstadtdschungel von New York! Die Räder will man gar nicht zählen, unter die da gekommen werden kann! Rettung naht in den Gestalten von Dodger und seiner Hunde-Gang, das sind: ein sich zum Schauspieler berufen fühlender Dickboxer, ein spätkapierender Kraftrüde, ein dauer-elektrisierter Flederpinscher, eine tolle Hundebiene und eben Dodger, charismatischer Under-Dog, bei

dem alle Hündinnen schwach würden, wenn sie nicht angeleint wären.

Klein-Oliver lernt nun das hochaufregende Wrack alias Hausboot vom Herrchen der Gang kennen, ein Ausbund an (tier)lieber Lebensuntüchtigkeit mit Vespa mit Anhänger. Dazu noch in gräßlicher Schuldenabhängigkeit von einem Ausbund an Fiesling mit racherünstigen Dobermännern: Ein Kampf-der-Mischlinge-gegen Reinrassige-Musical entspinnt sich, lametta-artig drapiert mit Herz und Scherz und Schmerz und Swing und einem niedlichen Mädchen: klein, reich und einsam. Dazu paßt kleine arme einsame Miezekatze ausgezeichnet. Daß sie sich finden, keine Frage. Aber wie sie sich finden! Da gehen Vespas mit Anhänger nur so durch U -Bahn-Schächte!

Und alles fügt sich, wäre da bloß nicht die deutsche Synchronisation. Die macht aus Oliver einen freundlichen Erstkläßler und aus dem Gesang von reiches-kleines-Mädchens Pudeldiva Katja Ebstein. Ho-uuuuuuuh! Claudia Kohlhas

UT 4 um 15/17/19/21 Uhr, Fr/Sa 23 Uhr, So 13 Uhr. Ebenfalls „Stern“, selbe Zeiten