Momper ignoriert Dalai Lama

■ Der Nobelpreisträger ist aus diplomatischen Gründen für Berliner Politiker kein Staatsbesucher / Tibets Schicksal ist offiziell kein Thema

Wenn der diesjährige Friedensnobelpreisträger, der 14. Dalai Lama, morgen und am Mittwoch Berlin besucht, versuchen die meisten der Regierungspolitiker in der Stadt einen Bogen um ihn zu machen. Anders die taz: Am Dienstag, den 5. Dezember wird das geistige Oberhaupt der Tibeter der Redaktion einen Besuch abstatten - noch vier Tage, bevor er in Oslo den Nobelpreis entgegen nimmt.

Mitglieder von Tibet-Solidaritätsgruppen und Freunde des 1959 von der chinesischen Volksbefreiungsarmee vom Dach der Welt vertriebenen Volkes hatten gehofft, die Vergabe des Friedensnobelpreises habe eine Wende markiert. Sie glaubten, endlich würden die Menschenrechtsverletzungen auf dem Dach der Welt ernst genommen. Denn die sind seit nunmehr drei Jahrzehnten besorgniserregend. Wie am Freitag die Berliner Gruppe der „Tibet-Initiative Deutschland“ im Haus der Kulturen der Welt (Kongreßhalle) berichtete, starben seit dem Einmarsch der Chinesen 1950 nach Angaben von internationalen Menschenrechtsgruppen in Tibet mehr als 1,2 Millionen Menschen.

„Sechs Millionen Juden wurden von den Nazis umgebracht“, hieß es in einem Film von Vanva Kewley. Und bis heute sei die Welt verständlicherweise entsetzt darüber. „Doch wer sorgt sich um das unsägliche Leid des tibetischen Volkes.“ Politiker schon gar nicht. Seit den sechziger Jahren habe es nach den Worten von Petra Kelly (MdB, Die Grünen), die von den Veranstalter auf das Podium geladen war, eine Allianz der Ignoranz gegenüber den Menschenrechtsverletzungen auf dem Dach der Welt gegeben.

Gert Bastian, General a.D., warf der Bundesregierung vor, aus Rücksicht auf die Wirtschaftsbeziehungen zu China das Morden in Tibet weiterhin zu tolerien. Selbst das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking am 4.Juni hat den Regierende Bürgermeister Momper und Vertreter der AL nicht dazu bewegen können, das geistige Oberhaupt des Tibet im Rathaus Schöneberg zu empfangen. Und all das trotz ausdrücklicher Bitte von seiten der Tibet -Solidaritätsgruppe. Wie aus dem Büro des Bürgermeisters zu erfahren war, stelle die Bundesregierung nicht die Zugehörigkeit Tibets zu China in Frage. In einem persönlichen Gespräch solle sich Momper beschwert haben, er wolle bei Tibet nicht der „knallharten Politik“ des Auswärtigen Amtes in die Quere kommen. Gleiches gilt wohl auch für die AL. Vertreter der Partei, die sich die Gewaltfreiheit ins Programm geschrieben haben, sind nun nur noch dazu bereit, den Friedensnobelpreisträger gemeinsam mit SPD, CDU und den REPs zu begrüßen.

Jürgen Kremb