Die Byrnesche musikethnologische Tätigkeit

■ David Byrnes „Rei Momo“ und der von Byrne herausgegebene Sampler „O Samba“

Jedes Jahr im Februar eröffnet der dicke König Momo - „Rei Momo“ genannt - mit zahlreichen grazilen Schönheiten in seinem Hofstaat den Straßenkarneval von Salvador/Bahia. Beim Fest des Rei Momo wird in Bahia für fünf Tage und Nächte das Unterste zuoberst gekehrt.

„If nothing's right, what's wrong?“

Einer, der solche Fragen stellt, muß irgendwann mal in Brasilien gewesen sein, einem Land des permanenten Wandels, das alles in Frage stellt und viele Antworten parat hat. Brasilien, ein ansteckendes Land. David Byrne hat hier zur Jahreswende 1988/89 zwei Monate gelebt und sich mit einem Film über die afrobrasilianische Religion des Candomble versucht. Vor dem Karneval kehrte er in die USA zurück und war infiziert. Seitdem redet er in Interviews gerne von seinem Hang zur Spiritualität, von afrobrasilianischen Göttern, von brasilianischer Musik und seit kurzem auch von Rei Momo, seiner nach dem dicken Karnevalskönig benannten neuesten Scheibe.

Brasilianische Musik findet auf dieser Platte allerdings nur in einem Titel statt. In Don't want to be a part of your world donnert eine Samba Batucada als Hintergrund zu mit näselnder Stimme vorgetragenen Byrneschen Texten. Ansonsten viel New Yorker Karibik: Salsa, Merengue, Mambo...

Was die Texte und die Melodien angeht, ein typisches Byrne -Produkt. Die aufwendigen Bläser-, Stimm- und Perkussionsarrangements fallen allerdings etwas aus dem normalen Poprahmen. Die Musiker: In etwa das Beste, was New Yorks Latinoszene derzeit zu bieten hat - zum Beispiel Andy Gonzales, der Salsa-Jazz-Bassist New Yorks, oder der Perkussionist Milton Cardona, der mit seinem New Yorker Santeria-Ensemble „Bemb“ vor einiger Zeit auch mal auf dem Berliner Jazzfest zu hören war. Trotzdem: bis auf ein Stück (Women as men) vermag mich die Platte nicht zu fesseln. Insgesamt doch nur ein Mainstream-Produkt.

(Wer gerne was wirklich Scharfes aus der New Yorker World Music-Küche hören will, der sollte seine Märker lieber für Eddie Palmieris Sueno (Intuition/Capitol) hinlegen. Die Platte ist zur Zeit wirklich mit das Beste und Modernste, was es auf diesem Gebiet zu hören gibt.)

Aber Mr. Byrne singt ja nicht nur. Er forscht und sammelt auch. Mit dem Sampler O Samba liegt da inzwischen auch schon das zweite käuflich zu erwerbende Produkt Byrnescher musikethnologischer Tätigkeit vor. Und ein wirklich gutes. O Samba ist liebevoll gemacht und liefert profunde Informationen zum Thema Samba und MPB (musica popular brasileira). Eine kleine Geschichte des Samba gibt's zu lesen. Die einzelnen Sänger und Sängerinnen werden ausreichend gewürdigt. Die portugiesischen Texte wurden (übrigens vom Bruder des ambitionierten Liebhabers Arto Lindsay) ins Englische übersetzt.

Die Platte selbst bietet eine gute Übersicht über die Samba - und Pagodeszene Brasiliens der letzten zehn, fünfzehn Jahre.

Wer Samba mag, dem wird die Platte sowieso gefallen. Wer noch nichts von Samba und brasilianischer Musik gehört hat, für den könnte O Samba ein guter Start in eine neue, überaus variantenreiche musikalische Welt sein. Und wer Samba nicht mag, dem ist sowieso nicht zu helfen:

Quem nao gosta do Samba / Bom sujeito nao e / E ruim da cabeca / ou doente do pe. (Dorival Caymmi)

Was soviel heißt wie: Wer Samba nicht mag, muß etwas am Kopf haben oder fußkrank sein.

Andreas Weiser

-David Byrne: Rei Momo, WEA 925 990-1

-Brazil Classics 2: O Samba, WEA 926 019-1

-Eddie Palmieri: Sueno, Intuition/Capitol 791 353-1