Neue Regierung in Prag

■ Reformgegner mußten gehen, doch die KPTsch stellt weiter die Mehrheit

Berlin (ap/taz) - Als der immer noch amtierende Staatspräsident Gustav Husak am Sonntag nachmittag die neue Kabinettsliste der tschechoslowakischen Regierung unter dem neuen und alten Premier Ladislav Adamec absegnete, hatte sich schon abgezeichnet, daß es zu keinen politischen Sensationen gekommen war. Zwar mußten von den 21 Ministern der scheidenden Regierung zehn Kommunisten zurücktreten oder das Ressort wechseln, doch weiterhin beherrschen die Kommunisten mit 16 Ministern die neue Regierung, in der nun auch ein Sozialist, ein Christdemokrat und drei Parteilose vertreten sind. Zwar mußten vier Parteikonservative, der Verteidigungsminister Milan Vaclavik und der Innenminister Franticek Kincl sowie der erste stellvertrende Ministerpräsident Matej Lucan und der stellvertretende Ministerpräsident Karels Julis ihren Hut nehmen, doch werden auch zukünftig die wichtigsten Ressorts wie das Innen- und Verteidigungsministerium von Kommunisten geführt. Die Besetzung gerade dieser Ressorts mit Parteilosen war eine der wichtigsten Forderungen des „Bürgerforums“ an die Adresse der Regierung gewesen.

In ihren ersten Reaktionen zeigen sich Sprecher des Bürgerforums dementsprechend enttäuscht. Eine endgültige Beurteilung behalte sich das Bürgerforum zwar vor, erklärte sein Sprecher Jiri Dienstbier gestern vor der Presse, doch rufe das Forum schon jetzt für Montag zu einem neuen Massenprotest auf dem Wenzelsplatz auf. Vor allem das Verbleiben von Außenminister Jaromir Johannes im neuen Kabinett wurde von seiten des Bürgerforums als „Unverschämtheit“ bezeichnet.

Neuer Innenminister wurde mit Frantisek Pinc ein 35jähriger, bisher unbekannter Jungpolitiker, der aus dem Sicherheitsapparat stam Fortsetzung auf Seite 2

men soll. Der kommunistische General Miroslav Vacek übernimmt das Verteidigungsressort. Von den drei parteilosen Regierungsmitgliedern ist der neue stellvertretende Ministerpräsident Josef Hromadka Präsident des ökumenischen Rates der CSSR-Kirchen. Der Minister ohne Ressort Viliam Roth ist ebenso ein unbeschriebenes Blatt wie die einflußlose Ministerin an der Spitze der Volkskontrollkommission Kvetoslava Korinkova. Auch der Sozialist Ladislav Dvorak als Chef der Preiskommission und der Minister ohne Geschäftsbereich Frantisek Reichl, ein Mitglied der Volkspartei, bleiben Randerscheinungen in einem Kabinett, das der KP weiterhin den entscheidenden Einfluß im Staate sichert.

Immerhin gab ein Sprecher des Zentralkomitees am Sonntag bekannt, daß die parteieigenen Arbeitermilizen entwaffnet würden. Der Sprecher des ZK dementierte dabei Gerüchte, wonach es sich bei den am Wochenende in der CSSR zu beobachtenden Truppenbewegungen um die Vorbereitung zu einem Militärputsch handele. Er sagte, die Waffen der Milizen würden in Armeelagern deponiert.

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