Daten-Striptease freiwillig?

■ Experiment mit fiktiver Chiffreanzeige: Wie angespannt ist der Wohnungsmarkt? / Wohnungssuchende liefern Unbekannten Papierfluten

„Ich erkläre mich damit einverstanden, daß der Vermieter Auskünfte über mich einholt.“ Datum, Unterschrift. Diese Generalermächtigung zum Datensammeln hat ein Elektroingenieur als Antwort auf ein Chiffreinserat in der 'Zweiten Hand‘ geschickt. Das Angebot: eine fiktive Zweizimmerwohnung am U-Bahnhof Wilmersdorfer Straße, Warmmiete 750 Mark. Und nicht nur diese Ermächtigung hat der Bewerber geschickt. Per Post kamen darüber hinaus eine Bürgschaft seiner Eltern, eine Verdienstbescheinigung von seinem Arbeitgeber und eine Kopie seines Personalausweises.

„So angespannt die Lage auf dem Wohnungsmarkt zur Zeit ist, bleibt Wohnungssuchenden gar nichts anderes übrig, als alle Hebel in Bewegung zu setzen“, sagt Rainer Wild vom Berliner Mieterverein. Alle Hebel, das heißt aber nicht: Ausverkauf persönlicher Daten. Aber genau dazu lassen sich viele Wohnungsbewerber verleiten. Wer eine ordentliche Arbeit hat, bei der auch ordentlich was rausspringt, der schickt seine Verdienstbescheinigung mit. Ein 24jähriger Elektriker hat sich auf eine der drei fiktiven Wohnungen mit seiner monatlichen Gehaltsabrechnung beworben. Außer der genauen Höhe des Bruttoverdienstes und der Erstattung der Kontoführungsgebühren findet sich da eine etwas heikle Information. Auf fast allen Verdienstbescheinigungen kann man die ablesen.

Und mit Kontonummer und Originalunterschrift vom Bewerbungsschreiben könnten Betrüger ganz gut was anfangen. „Zum Beispiel eine Einziehungsermächtigung fälschen“, sagt Winfried Roll von der Kripo-Beratungsstelle. „Wenn das Geld abgebucht ist und man das bemerkt, kann derjenige, der sich selbst bedient hat, häufig schon gar nicht mehr ermittelbar sein.“ Sprich: Das Konto des Empfängers ist leer, eine Rückforderung bei der einziehenden Bank bleibt erfolglos. Wer bei der Wohnungsbewerbung keinen besonderen Wohlstand vorweisen kann, gibt andere Daten preis. Zwei Studentinnen haben ihren Briefen Fotos beigelegt. Die eine ist 20, die andere 24 Jahre alt. Beide schreiben, daß sie allein einziehen wollen. Kommen sie dann auch alleine zur Besichtigung? Und wer steht ihnen da gegenüber? Keiner kann das so genau wissen, denn der Chiffreinserent bleibt anonym.

Meistens sind die Chiffreinserenten Privatleute, die einen Nachmieter suchen, und unsaubere Absichten haben wohl die wenigsten. Trotzdem, wen geht sowas an: „Ich lebe zur Zeit bei meinem Bruder und seiner Frau unter sehr beengten Umständen. Diese Wohnsituation ist für beide Seiten sehr belastend...“ Und auch bei der Hausverwaltung sollte man als BewerberIn lieber vorsichtig sein, sagt Rainer Wild: „Es gibt sogenannte Schutzgemeinschaften, Datenbanken von Vermietern, zum Informationsaustausch über Wohnungsbewerber. Das sind schon fast schwarze Listen.“

Da informieren sich dann Vermieter vor einem möglichen Vertragsabschluß darüber, ob der Bewerber früher immer pünktlich seine Miete bezahlt hat oder ob er Haustiere hatte. Die ideale Chiffrebewerbung enthält daher nur eine ungefähre Aussage zum Einkommen oder eine Mietbürgschaft der Eltern. „Wenn Vermieter wirklich Interesse haben, dann fragen sie schon nach“, sagt Rainer Wild. Deshalb: Rückporto beilegen, das erhöht die Chance auf eine Antwort.

Arne Völker