„Den weiblichen Anteil planmäßig steigern“

■ Als erster bundesdeutscher Konzern richtet die VW AG eine Abteilung „Frauenförderung“ ein. Chefin wird Gabriele Steckmeister, bisher Frauenbeauftragte im Stuttgarter Rathaus. Dort hingegen weint mensch der streitbaren und umstrittenen Feministin keine Träne nach.

Die Konzern-Premiere institutionalisierter Frauenförderung findet in der Bundesrepublik bei VW statt. Am 1.Februar 1990 will der Automobilhersteller als erstes Großunternehmen eine Abteilung(!) „Frauenförderung“ in Wolfsburg einrichten.

Der große Mangel an Fach- und Führungskräften, der in einigen Industriezweigen schon zu Wachstumsrückgang geführt haben soll, kann ohne Frauen nicht mehr ausgeglichen werden. Auch VW braucht mehr als die bisher 17.200 Frauen (13,3 Prozent der Gesamtbelegschaft) für die BRD-Produktion, vor allem auch mehr Frauen in qualifizierten und führenden Positionen. Daraus zog der Konzern nun die Konsequenzen: Künftig sollen„bei gleichwertiger Qualifikation vorrangig Frauen eingestellt werden“, „Führungspositionen verstärkt für Frauen geöffnet“ und der weibliche Anteil Auszubildender „planmäßig“ gesteigert werden.Darauf einigten sich Gesamtbetriebsrat und Unternehmensleitung in einer Betriebsvereinbarung. Wunschkandidatin

Ob der fünfköpfige Frauenstab im Wolfsburger Stammhaus um weitere Frauenbeauftragte in den Zweigwerken verstärkt wird, ist noch nicht entschieden. Klar ist jedoch bereits, wer die Frau für den neuen Job ist: Dr. Gabriele Steckmeister, derzeit noch Frauenbeauftragte im Rathaus von Stuttgart. Als „Wunschkandidatin von Betriebsrat und Vorstand“ berufen, freut sie sich auf diese „völlig neue und spannende Aufgabe“.

Wunschkandidatin ist Gabriele Steckmeister in Stuttgart nie gewesen. Die 36jährige promovierte Politikwissenschaftlerin und Feministin aus Hamburg, die mit den Stimmen der Grünen, SPD und FDP das Rennen gegen die von der CDU favorisierten Kandidatin gewann, war als Frauenbeauftragte der schwäbischen Hauptstadt ebenso streitbar wie umstritten. Im Stuttgarter Rathaus will sie darum - vielleicht bis auf die FDP - niemand zurückhalten, und die Lokalpresse, die schon lange an ihrem Stuhl sägt, beschreibt die Reaktionen auf ihren Weggang als „heiter bis froh“. „VW sei Dank für die frauenfördernde Maßnahme. Wenigstens in diesem ... Abgang hat die Frauenbeauftragte der Stadt jetzt einen guten Dienst erwiesen.“ Und endlich sei ihr einmal wirkliche Frauenförderung gelungen, „wenn auch nur in eigener Sache“ ('Stuttgarter Nachrichten‘).

Das Verhältnis war nicht immer so getrübt: Gabriele Steckmeister, Stuttgarts erste Frauenbeauftragte, begann vor vier Jahren als „autonome Feministin“ den Gang durch eine CDU-dominierte Verwaltungshierarchie. Mit ihren Vorstellungen, die Stadtverwaltung in eine „sexismusfreie Zone“ zu verwandeln und ihrer Vorliebe für Frauenforschung führte sie sich auch bei der Stuttgarter Frauenszene gut ein. Darüber hinaus gefiel, daß sie sich und ihre Aktivitäten gut in Szene zu setzen wußte. Eine Qualifikation, die ihr heute viele als Eitelkeit und Mediengeilheit übelnehmen.

Unbestreitbar verdient machte sie sich in Sachen §218. Dank ihrer zähen und kompromißlosen Aufklärungsarbeit ist das gesetzlich garantierte Recht auf soziale Indikation jetzt in der Stadt zumindest wieder in greifbare Nähe gerückt. Dabei hat sie Dienstwege verlassen, was ihr Abmahnungen durch die Verwaltung einbrachte, und sämtliche Parteien vergrätzte: die CDU, der jeder Winkelzug recht war und ist, um die umstrittenen Belegbetten zu verhindern, die SPD und die Grünen, weil diese sich von der Frauenbeauftragten nicht genug einbezogen sahen und sich nun, nachdem sie lange Jahre in puncto 218 „resigniert nichts getan hatten“, auch gerne parteipolitischen Anteil gehabt hätten. Maulkorb nach Engagement

für Paragraph 218

Hier lag eines der wesentlichen Probleme der Frauenbeauftragten: Parteien und Verwaltung klagten immer wieder über ihre „mangelnde Kooperation“ und „Alleingänge“. Ihr Ziel, „feministische Wissenschaft und Tagespolitik zu verbinden“, war vielen suspekt. In Superkoalitionen zwischen CDU, SPD und Grünen ärgerten sich die Parteifrauen immer heftiger über zuviel „Selbstdarstellung“, „Theorie“, „Exotik“ und „Firlefanz“ im Frauenbüro.

Zudem blockierte die Verwaltung ihre Arbeit erheblich: So wurde ihr zum Beispiel eine Umfrage zu sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz im Rathaus verboten, Gelder für eine Untersuchung über sexuelle Gewalt gegen Mädchen, die Lage älterer Frauen in Stuttgart oder den Bedarf an Kindergartenplätzen wurden nicht genehmigt. Außerdem verhinderte man die Veröffentlichung einer Studie zur Situation ausländischer Frauen und Mädchen in der Stadt, die sie in Auftrag gegeben hatte. Der Tenor paßte den Stadtvätern nicht. Denn die Autorin hatte unter anderem gewagt, von Ausländerfeindlichkeit und Rassismus zu schreiben. Neben Abmahnungen und Verwaltungsauflagen war der Frauenbeauftragten zeitweise verboten, Presseauskünfte zu geben. Das war, als sie über den Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel gesagt hatte, er sei „frauenpolitisch nicht auf der Höhe der Zeit“. Grüne fordern Rücktritt

Gabriele Steckmeister hat viel initiiert. Von ihr kamen etliche Ansätze zur beruflichen Förderung von Frauen, Eingriffe gegen frauenfeindliche Sprache, gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen und viel Unterstützung zum Informationsaustausch aller Frauen in der Stadt. Aber sie hat es nicht geschafft, sich mit Unterstützung von SPD und Grünen gegen die CDU-Verwaltung durchzusetzen. Nach ihrem letzten Tätigkeitsbericht im Herbst diesen Jahres bezweifelt die SPD inzwischen ein weiteres „konstruktives Miteinander“. Die Grünen, die sich seit Jahren für eine mit mehreren Frauen besetzten Gleichstellungsstelle einsetzen, forderten gar, Gabriele Steckmeister sollte ihren Posten im Rathaus räumen und zu ihrer Frauenforschung zurückkehren. Mangelnde Kooperation, schlechte Kommunikation, zuviel Theorie und zuwenig praktische Arbeit lauten die Vorwürfe. Ihre Tätigkeiten als Lehrbeauftragte und ihr Faible für ein Frauenmuseum mögen dazu mitbeigetragen haben.

Etlichen Frauen in Stuttgart war die promovierte Politologin immer zu intellektuell, zu elegant und zu arrogant. Viele, die mit ihr als Werkauftragnehmerinnen oder sonstwie zusammenarbeiteten, beschreiben sie als wenig kooperativ und konkurrenzsüchtig. Teile der autonomen Frauenbewegung der Stadt stehen aber bis heute hinter ihre Arbeit. Für die frauenpolitische Auseinandersetzung besonders in der Lokalpresse - war ihre Amtszeit kein Ruhmesblatt. Es gab einige Schlammschlachten und viele Auseinandersetzungen liefen hier unter dem Motto „Wenn Frauen Frauen einmachen, dann aber richtig“. Ob die teilweise sehr persönlichen Vorwürfe ihr etwas ausmachen, ist Gabriele Steckmeister nach außen nicht anzumerken. „Frauenbeauftragte setzen sich sowieso immer in die Nesseln“, lautet ihr Kommentar. Wie sie nun als Feministin bei der VW AG die Fraueninteressen gegenüber den Kapitalinteressen durchboxen will, wird spannend werden.

Johanna Lembens-Schiel