NDR mästet private Konkurrenz

■ Umstrittene Werbefusion zwischen NDR und zwei Privatsendern / Jetzt prüft das Bundeskartellamt

Was macht ein renommierter öffentlich-rechtlicher Rundfunksender, wenn ihm die HörerInnen davonlaufen und deswegen die Werbetarife gesenkt werden müßten? Ein besseres Programm vielleicht? Falsch geraten - zumindest, wenn es um den Norddeutsche Rundfunk (NDR) geht.

„Das Beste im Norden“ (NDR-Eigenwerbung) ist vielen Norddeutschen offensichtlich „nicht gut genug“ (Privatfunk -Konter). Vor allem die drei ersten und größten privaten Hörfunksender setzen dem öffentlich-rechtlichen Riesen seit drei Jahren kräftig zu. Die Verlegerradios RSH (Schleswig -Holstein), Radio Hamburg und ffn (Niedersachsen), über die „Funk Kombi Nord“ als gemeinsamer Werbeträger verbunden, haben die mit ihnen konkurrierende Servicewelle NDR II auf Platz zwei verwiesen. Und weil das so ist, kann der NDR nicht mehr die hohen Werbetarife verlangen wie bisher. Den drohenden Einnahmeverlust vor Augen, brach der NDR ein lange gehegtes Tabu - und arbeitet fortan mit Privatsendern zusammen. Gemeinsam mit der Hamburger Lokalstation Radio 107 und der im Aufbau befindlichen Antenne Niedersachsen gründete man eine Werbegemeinschaft, deren Geschäfte Anfang 1990 beginnen.

Und so läuft der Deal: 42 Minuten Werbung pro Werktag, die der NDR nach den Auflagen des Rundfunkgesetzes senden darf, laufen automatisch bei den kleinen Privatradios mit. Der NDR sattelt den Werbekunden gegenüber auf seine eigenen Einschaltquoten die Reichweiten der beiden Privatsender drauf und kann daher die selben Tarife verlangen. Und wer bezahlt die Werbe-Sendezeiten bei 107 und Antenne Niedersachsen? Der NDR. Über die Größenordnung dieses Transfers schweigen sich der NDR und seine Partner aus. Lutz Kuckuck, Geschäftsführer der konkurrierenden „Funk Kombi Nord“, schätzt den Betrag auf „eine kapp zweistellige Millionensumme jährlich“. Für ein Jahr soll das Geschäft auf diese Weise laufen - vorerst.

In den Managern von RSH, Radio Hamburg und ffn steigt die Wut hoch. Auf die Palme gebracht hat sie unter anderem die Äußerung des NDR-Verwaltungsratsvorsitzenden Wilhelm Brunkhorst, der für die CDU im niedersächsischen Landtag sitzt. Brunkhorst sieht in der neuen Fusion nämlich eine „legitime Starthilfe“ für die neuen Privatsender. Schon rätselt man bei ffn, ob diese Haltung einem Rachebedürfnis der hannoverschen Union entspringe. Denn ffn, als erstes Kind der Privatfunkinitiativen von Ministerpäsident Ernst Albrecht, ist in dessen Augen mißraten. Der Sender erzielt seine hohen Einschaltquoten unter anderem mit einer politischen Profilierung gegen den regierungs- und CDU -treuen NDR. Die anderen Landtagsfraktionen sehen zudem den freien Wettbewerb infrage gestellt und bekommen bei diesem Bedenken prominente Unterstützer - auch das Bundeskartellamt prüft die Werbegemeinschaft seit Anfang November.

Zwei Kriterien einer möglichen Wettbewerbsbeschränkung werden genau unter die Lupe genommen. Da stellt sich zum einen Frage, ob die werbende Wirtschaft noch selber bestimmen kann, ob sie außer beim NDR auch bei den angeschlossenen Privatsendern Spots ausstrahlen will. Zum anderen, und da dürfte es kritischer werden, untersucht man Untersuchung der Wettbewerbssituation für Sender, die keiner der beiden Werbegemeischaften angehören. Das gilt derzeit für den Hamburger Stadtsender OK Radio. Hat diese Station noch eine Chance, zwischen den beiden Blöcken zu überleben und eigenständig Werbung zu akquirieren? Allerdings richtet sich das Kartellamts-Interesse nach taz-Informationen nicht nur an die neue Fusion. Auch die „Funk Kombi Nord“ wird kartellrechtlich gecheckt.

Von medienpolitischer Brisanz sind andere Fragen. Vor allem: Begeben sich die kleinen Privatsender in wirtschaftliche Abhängigkeit zum NDR? So konnte Radio 107 bislang aus eigener Kraft kaum Werbung akquirieren, seine Bestandsgarantie erhält er erst durch den Deal mit dem NDR. Pikant, daß 107 eine ähnliche, vom Alter her nur leicht nach unten abweichende Zielgruppe anpeilt wie NDR II. Auch Antenne Niedersachsen wird nicht mit wortlastigem Programm aufwarten. Der Norddeutsche Rundfunk mästet also seine eigene Konkurrenz - ein in dieser Weise einzigartiger Vorgang unter den neun ARD-Anstalten.

Axel Kintzinger