Rock für Anständige

CSSR-Liedermacher Karel Kryl, der 1968 in Exil ging, trat am Wochenende nach 20 Jahren wieder in Prag auf  ■ I N T E R V I E W

Bis spät in die Nacht fand im Prager Sportpalast ein zehnstündiger Rockmarathon statt, Titel „Res Publica Konzert für anständige Leute“. Dort traten 250 KünstlerInnen, Einheimische und Exilanten, zum erstenmal nach über 20 Jahren wieder gemeinsam auf. Unter ihnen waren bekannte Leute wie Karel Kruel (der heute in München lebt).

taz: Herr Kryl, zum ersten Mal nach über 20 Jahren Exil standen sie heute abend wieder auf einer Prager Bühne vor 15.000 Zuschauern. Was haben Sie dabei gefühlt?

Karel Kryl: Überwältigend... Ich kann nicht mehr sagen... Super, fantastisch... Es war schwierig zu singen, es war schwierig zu weinen. Ich mußte das Publikum anschreien, damit es nicht klatscht und skandiert, um überhaupt zum Singen zu kommen. Der Erfolg ist sicherlich Ergebnis meiner Arbeit und daß ich die Chance hatte zu senden. Außerdem habe ich meine Meinung nie geändert, nur die alltäglichen Dinge habe ich selten kommentiert. Im Exil geht das nicht anders.

Sind Sie erstaunt darüber, daß die jungen Leute, ihre Texte noch kennen und mitsingen?

Einerseits ist das natürlich wunderbar für mich. Andererseits muß man es aber als eine Bestätigung dessen sehen, daß die Menschen hier in abnormalen Bedingungen gelebt haben. Meine Lieder, die vor 20, 30 Jahren geschrieben wurden, sprechen die Leute an, als ob sie heute entstanden wären. Das heißt, die Leute haben in Verhältnissen gelebt, die sich seither um nichts bewegt haben. Gleichgültigkeit, Erpressung und Erziehung zu Feigheit und Dienen, diese Charakteristika der Gesellschaft sind geblieben, und das waren schon damals meine Themen.

Wollen Sie wieder in die CSSR zurückkehren?

Nach 20 Jahren kann man nicht mehr zurückkehren. Man muß neu kommen. Ich muß mich erstmal umschauen. Nach 20 Jahren München ist auch dort meine Heimat. Ich habe Lieder in Deutsch geschrieben. Natürlich liegt da ein Problem im Begreifen. Die Ostdeutschen verstehen mich besser als die im Westen. Dennoch Deutschland ist meine zweite Heimat, und ich möchte nicht zwischen der einen und der anderen entscheiden müssen. Ich hoffe, die Grenzen werden einmal verschwinden, um ungehindert hier und dort leben zu können. Vielleicht wird die Tschechoslowakei einmal eine schöne Wohnung im europäischen Haus.

Interview: khd