Plutonium in der Euratom: vertuscht

Interne Papiere der Atomkontrolleure belegen: Vier Mitarbeiter kontaminiert / Untersuchung wurde eingestellt  ■  Von Thomas Krumenacker

Luxemburg (taz) - Die europäische Atomaufsichtsbehörde „Euratom“ vertuscht seit einem Jahr die Verseuchung von mindestens vier ihrer Mitarbeiter mit Plutonium. Aus der taz vorliegenden internen Untersuchungsergebnissen des Euratom -Instituts „Joint Research Centre“ im italienischen Ispra geht hervor, daß die Mitarbeiter der Euratom, die im luxemburgischen Euroviertel Kirchberg beschäftigt sind, mit dem auch in kleinsten Dosen lebensbedrohenden Stoff kontaminiert sind. Betroffen sind nach den Unterlagen, die am Montag von dem luxemburgischen grün-alternativen Parlamentsabgeordneten Fran?ois Bausch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, zwei Euratom-Inspektoren, die für die Kontrollen in verschiedenen Atomkraftwerken verantwortlich waren. Ebenfalls kontaminiert wurden aber auch zwei Mitarbeiter, die als Bote und Elektriker im Euratom-Verwaltungsgebäude auf dem Kirchberg überhaupt nicht mit Atomkraftwerken in Berührung kommen. Auch die beiden Inspektoren seien bei ihrer Kontrolltätigkeit nicht mit dem unmittelbaren Reaktorbereich in Kontakt gekommen, sondern hätten lediglich die äußeren Sicherheitsbereiche kontrolliert, hieß es. Festgestellt wurde die Kontamination bei Routinekontrollen.

Das Karlsruher Kernforschungszentrum hatte - wie aus den Unterlagen hervorgeht - bei ersten Untersuchungen zunächst nur geringe Verseuchungswerte festgestellt. Nach weiteren viertägigen Checks mit Stuhl- und Harnuntersuchungen im belgischen Atomzentrum Mol mußten diese Ergebnisse im Bericht an die Euratom deutlich nach oben korrigiert werden. Das Ausmaß der Verseuchung ist indessen noch unklar. Die Verseuchung bei einem der beiden Inspektoren sei 20fach höher als bei dem ebenfalls kontaminierten Boten, heißt es. Bei dem am stärksten belasteten Inspektor wird eine Plutoniumbelastung von 240 Millibecquerel genannt.

Die Untersuchungen datieren vom September 1989, ein Jahr nach den ersten Messungen. Alle Betroffenen arbeiten nach wie vor auf dem Kirchberg. Nach der offenbar zufälligen Entdeckung der Kontamination bei den beiden Inspektoren wurden mit den beiden Angestellten erstmals Mitarbeiter, die nicht unmittelbar im Kontakt mit AKWs stehen, untersucht. Als sich der Verdacht einer Verseuchung auch bei ihnen bestätigte, gab die Euratom intern das Kommando aus, keine weitere Untersuchungen an Mitarbeitern mehr vorzunehmen. Im Bericht des „Joint Research Centre“ an die Euratom heißt es dazu wörtlich: „Aus psychologischen und politi Fortsetzung auf Seite 2

schen Gründen wäre es unklug, irgendeinen Versuch zu unternehmen, die Plutoniumverseuchung unter weiteren Personen in dem Gebiet zu ermitteln.“ Dem eilig verordneten Untersuchungsstopp ist offenbar Folge geleistet worden.

Gleichzeitig setzte die Euratom mit Ärzten eine Beruhigungskampagne unter den Betroffenen in Gang.

Auch Luxemburgs Regierung wurde offenbar völlig überrascht: Ein Dringlichkeitsantrag der Grünen wurde erst einmal abgebogen. Jetzt hat das Ministerium drei Monate Zeit, sich kundig zu machen. Aus dem Gesundheitsministerium war zu erfahren, daß dort erst mal ein Brief an die Euratom mit der Bitte um Aufklärung abgeschickt worden sei. Die Grün -Alternativen fordern jetzt eine Anhörung des zuständigen EG -Kommissars, um die nach wie vor unbekannte Quelle der Plutoniumverseuchung ausfindig zu machen. Außerdem sollen „von der Putzfrau bis zum Direktor“ alle auf dem Kirchberg bei Euratom Beschäftigten untersucht werden.