Bremer SPD: Für Frauen und gegen Arbeiter

■ Betriebsgruppen sollten durch Satzung mehr Einfluß bekommen / „Linke“ verhindern Zweidrittelmehrheit

Irgendwie mußte die Bremer SPD-Vorsitzende Ilse Janz das sich anbahnende Unheil geahnt haben: „Genossinnen und Genossen“, hatte sie in ihrer Eröffnungsrede beim außerordentlichen Landesparteitag am Montag abend im Bürgerhaus Vahr ausgerufen, „wir müssen wohlklingende Absichtserklärungen in die Tat umsetzen.“ Und: „Wir dürfen nicht nur dicke Backen machen. Es wäre ein Armutszeug nis, wenn die SPD keine Zweidrittel-Regelung zustande bekäme.“ (Zwei Drittel der Dele

giertenstimmen sind notwendig, um die Satzung der SPD -Landesorganisation zu ändern.) In der Landessatzung sollte festgelegt werden, daß künftig 40 Prozent aller Mandaträger weiblichen Geschlechts zu sein haben. Doch dann kam alles ganz anders und doch genauso wie die SPD-Vorsitzende befürchtet hatte. Die Frauenquote ging fast ohne Kontroverse über die Parteitagsbühne (s. untenstehenden Artikel), dafür verfehlte eine ebenfalls vorgeschlagene Arbeiterquote nach eineinhalbstündiger heftiger De

batte knapp die Zweidrittel mehrheit.

Hintergrund der Diskussion: Um die SPD wieder stärker in den Betrieben zu verankern, hatte der Bundesparteitag in Münster 1987 beschlossen, daß die Landesorganisationen künftig den SPD-Betriebsgruppen eine Extrawurst braten dürfen. Entgegen dem Delegationsprinzip (Ortsvereine wählen Unterbezirksdelegierte und die die 200 Landesdelegierten) sollten Betriebsgruppen-Konferenzen der Unterbezirke insgesamt 19 zusätzliche Dele

gierte wählen dürfen. „Wir müssen den Betriebsgruppen die Möglichkeit geben, Einfluß zu nehmen“, hatte der stellvertretende Landesvorsitzende und frühere MBB -Betriebsratsvorsitzende, Ludwig Hettling, das Ansinnen des Vorstandes begründet. Schon aus Zeitgründen könnten SPD -Arbeiter neben Betriebsrats- und Betriebsgruppenarbeit nicht auch noch Ortsvereins- und Unterbezirksarbeit machen, um sich auf diesem Weg zum Landesdelegierten zu qualifizieren. Und Carl-Heinz Schmurr, Bürgerschaftsabgeordneter und wie Hettling Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), hatte zugespitzt gefragt: „Kann diese stolze Partei der Arbeitnehmerbewegung die Forderung ablehnen?“ Seine Antwort: „Das können wir nicht ernsthaft machen.“ Konnten die Genossen doch und zwar vor allem die Genossen des als eher links eingestuften SPD-Unterbezirks Bremen-Ost. Daß es ihnen darum ging, einen größeren Einfluß der als politisch eher rechts eingeschätzten AfA auf die SPDzu verhindern, mochten die Redner öffentlich aber nicht so deutlich sagen. Sie verschanzten sich hinter formalen Argumenten. So wandte sich der Delegierte Wolfgang Grotheer aus dem Ortsverein Schwachhausen und Richter von Beruf gegen „ständische Strukturen“ in der Partei. Außerdem gebe es auch im öffentlichen Dienst Betriebsgruppen und die hätten genug Einflußmöglichkeiten. Die Betriebsgruppen hätten nach einer Satzungsänderung Einfluß über die Ortsvereine und dann noch über die Betriebsgrup

pen. Gegen diese Argumente war auch der SPD -Fraktionsvorsitzende Claus Dittbrenner machtlos. Es werde keine Machtverschiebung in der Landespartei geben, behauptete er, und brüllte dann ins Mikrophon: „Die Telefondemokratie des öffentlichen Dienstes ist nicht auf die Betriebe zu übertragen.“ Vergeblich: 36 Delegierte lehnten die Arbeiterquote ab. Damit war die notwendige Zustimmung von 148 Delegierten um sieben Stimmen verfehlt.

Während einige Mitglieder der AfA wutschnaubend den Sitzungssaal verließen (eine bei Klöckner beschäftigte SPDlerin gab spontan ihr Delegiertenmandat zurück), standen andere Genossen in Grüppchen zusammen und versprachen Rache: „Da waren auch einige aus der Fraktion dabei“, sagte einer. „Die werden wir uns merken.“ Dem AfA-Vorsitzenden Heinz Wenke ging eine Ablehnung besonders unter die Haut. „Wenn Frau Wedemeier gegen die AfA ist, dann soll sie das wenigstens sagen“, stellte er die Bürgermeister-Gattin und Landesdelegierte in einer persönlichen Erklärung unter lautem Protestgeschrei der Neinsager an den Pranger. Die sichtlich mitgenommene Landesvorsitzende Ilse Janz hatte ihre Bilanz schon während der Debatte gezogen. Von ihrem Vorsitzendenstuhl aus hatte sie gestöhnt: „Es ist alles nicht so einfach auf Parteiebene.“

Aus dem AfA-Vorstand war gestern zu erfahren, daß die Betriebsgruppe bei Klöckner künftig keine SPD -Betriebszeitung mehr produzieren will.

Holger Bruns-Kösters