„Keine deutschlandpolitischen Planspiele“

■ AL fordert Koalitionsausschuß zur Deutschlandpolitik, nachdem Walter Momper die Position der Nicht-Einmischung in Sachen DDR aufgegeben hat / Interview mit dem Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der AL Harald Wolf

taz: Was ist denn aus Sicht der AL bei dem eilig einberufenen Treffen mit den Oppositionsgruppen der DDR herausgekommen?

Harald Wolf: Fürchterlich viel nicht. Wie sich auf der Pressekonferenz gezeigt hat, handelte es sich mehr um einen gegenseitigen Informations- und Meinungsaustausch. Der Versuch des Regierenden, sich jetzt in die Entwicklung der DDR und die Politik der Oppositionsgruppen einzumischen, ist offensichtlich nicht auf fruchtbaren Boden gefallen.

War das nun ein Gespräch zwischen Walter Momper und den Oppositionsgruppen oder zwischen der rot-grünen Koalition und den Oppositionsgruppen?

Das Gespräch wurde ohne Abstimmung mit uns einberufen. Kurzfristig wurde dann noch Albert Statz mit dazugebeten...

Die AL hat das Vorpreschen Mompers als Einmischung kritisiert. Als inhaltliche Aussage zu den aktuellen Ereignissen in der DDR reicht das aber nicht aus...?

Nichteinmischung heißt für uns ja nicht, daß wir nicht mit den verschiedensten Gruppen drüben in der Diskussion sind oder gemeinsame Initiativen planen - wie jetzt zum Beispiel gemeinsame Aktionen in Ost und West anläßlich des Kohl -Besuches. Im Unterschied zum Regierenden maßen wir uns aber nicht an, Vorschläge darüber zu machen, wie runde Tische auszusehen haben oder wann der beste Wahltermin ist. Zudem ist deutlich geworden, daß Momper, in seiner Eigenschaft als Regierender Bürgermeister, in der Frage des Wahltermins den Vorschlag der SDP der Öffentlichkeit kundgetan hat. Das kann unserer Meinung nach nicht das Verfahren sein, wie man mit der Eigenständigkeit der Bewegung drüben umgeht.

Wittert die AL eine PR-Aktion der SPD für die SDP?

Ich kann mich erst mal nur an die Fakten halten, daß von seiten des Regierenden Bürgermeisters ein Wahltermin vorgeschlagen wird, der auch der Vorschlag der SDP ist. Das läßt zumindest die Vermutung zu, daß in der Frage des Wahltermins zwar mit der SDP, nicht aber mit den anderen Gruppen gesprochen wurde.

Momper hat seinen Vorstoß mit dem Machtvakuum in der DDR begründet. Nach dem Absturz der SED müßten die Oppositionsgruppen nun schnell dieses Vakuum füllen und auch politische Verantwortung übernehmen. Diese These ist so einfach nicht von der Hand zu weisen...

Diese Einschätzung teilen wir, diese Einschätzung ist aber auch nicht so originell, als daß die Oppositionsgruppen da nicht schon selber drauf gekommen wären und die Belehrung durch den Regierenden Bürgermeister brauchen würden.

Nach Auffassung der AL hat Momper mit seinem Vorstoß den rot-grünen Konsens verlassen. Welche Konsequenzen zieht die AL daraus?

Konkret fordern wir jetzt einen Koalitionsausschuß, in dem vor allem das Verhalten gegenüber der inneren Entwicklung in der DDR, die Haltung zum Kohl-Plan und auch die Abstimmung zwischen den beiden Koalitionsparteien geklärt wird.

Mit welchem Konzept kann denn die AL bei einem solchen Koalitionsausschuß aufwarten?

Wir fordern die Rückkehr zu den gemeinsamen Grundlagen der Deutschlandpolitik, die bisher bestanden haben. Wir haben eine klare Stellungnahme zum Kohlplan; wir haben Vorstellungen zur Kooperation mit der DDR, die noch weiter gemeinsam konkretisiert werden müssen; es geht um einen Rahmen, innerhalb dessen sich die Politik der Koalition bewegen muß.

Sich zum Kohl-Plan zu äußern reicht ja wohl nicht aus. Wie wäre es denn statt dessen mit einem Zehn-Punkte-Plan der AL?

Für uns geht es nicht darum, mit irgendwelchen deutschlandpolitischen Planspielen in Konkurrenz zu treten. Es stehen statt dessen konkrete Fragen an - zum Beispiel die Anerkennung der Souveränität der DDR als Voraussetzung jeglicher gleichberechtigten Kooperation. Zweitens die Frage der wirtschaftlichen Unterstützung ohne erpresserische Vorbedingungen, die nach der dramatischen Zuspitzung um so dringlicher wird, will man sich nicht dem Verdacht aussetzen, eine Politik des Anschlusses aus Armut zu betreiben. Und es steht an, auf die veränderte Situation mit drastischen Abrüstungsschritten zu reagieren. Zudem haben wir mit dem Vorschlag einer KSZE-Sonderkonferenz in Berlin -West deutlich gemacht, daß wir die Europäisierung der „deutschen Frage“ wollen.

Was sagt denn die AL zu den lauter werdenden Rufen nach Wiedervereinigung bei den Demos in Leipzig?

Diese Rufe hängen zusammen mit der Diskreditierung der SED -Führungsspitze und ihrer Unfähigkeit, wirkliche Initiativen zur Verbesserung einzuleiten. Das hängt aber auch mit der Bundesregierung zusammen, die unter anderem mit dem Kohl -Plan versucht, diese Stimmung aufzugreifen, um die DDR von innen und von außen in die Zange zu nehmen. Eine verantwortliche Politik müßte versuchen, das Bedürfnis der Leute nach unmittelbarer Verbesserung der Lebenssituation zu unterstützen, anstatt das auf die Mühlen einer Anschlußpolitik zu lenken.

Gespräch: Andrea Böhm