Politische Geburtshilfe

Über Walter Mompers Einmischung in innere Angelegenheiten der DDR-Opposition  ■ K O M M E N T A R E

Politische Geburtshilfe zu leisten ist ein schwieriges Geschäft, zumal wenn es sich um die Angelegenheiten eines anderen Staates handelt. Walter Mompers erster Versuch ist mißglückt. Berlins Regierender Bürgermeister hat die Linie der Nichteinmischung in die politischen Prozesse der DDR verlassen. Daß er sich dabei wirkliche Sorgen macht, sich verantwortlich fühlt dafür, das die DDR auf friedlichem Wege die Demokratisierung erreicht, muß man ihm schon glauben. Deshalb ist der Streit darüber, ob es richtig ist, der Opposition in Ost-Berlin Vorschläge zu machen, müßig und kleinkariert. Vorwerfen muß man Momper allerdings, daß er durch brachialen Übereifer und Anflüge von Größenwahn das Anliegen versaut hat.

Zu glauben, die schwierige Situation, in der sich die Gruppen in der DDR befinden, ihre Unerfahrenheit im Regierungsgeschäft und ihre Angst, letztendlich Verantwortung für das Land zu übernehmen, mit einem Aktionsprogramm vom Tisch fegen zu können, war eine typisch Mompersche Verwegenheit. Erzeugt hat er fürs erste das Gegenteil des Beabsichtigten. Statt den Gruppen Mut zu machen, hat er sie in noch größere Hilflosigkeit gestürzt.

Momper war schlicht zu schnell. Hätte er den Gruppen nur einen Tag Zeit gelassen, sich Gedanken über seine Vorschläge zu machen, das Gespräch hätte zu dem werden können, was beabsichtigt war: den Organisationsprozeß der Opposition zu beschleunigen, ihnen deutlich zu machen, daß sie es sind, die jetzt die auf der Straße liegende Staatsmacht aufheben müssen.

Momper wollte die Weichen stellen und gleichzeitig die Geschwindigkeit beschleunigen. Doch so funktionieren politische Prozesse nirgendwo, und Momper muß sich die Frage gefallen lassen, ob er nicht schlicht eine Strategie der Überrumpelung versucht hat. Nachträglich wollte er sich von der DDR-Opposition seine Einmischung legitimieren lassen. Das ist gescheitert. Unter anderem, weil Momper den grenzübergreifenden parteipolitischen Schulterschluß probiert hat. Nicht zufällig nannte er als Termin für Wahlen gerade den, den in der Nacht zuvor die Ost-Sozialdemokraten SDP beschlossen hatten. Doch noch gehören die Sozialdemokraten im Osten zur Opposition. Die „Erziehung zur Regierungsfähigkeit“, die Momper bei der AL probiert hat, kann und will ein Ibrahim Böhme in der DDR nicht übernehmen.

Walter Momper muß sich nun weiterhin mit der zweiten Geige im deutsch-deutschen Konzert abfinden. Denn das ist sicher: Er besitzt genug politische Eitelkeit, um mit seinem Vorschlag auch Eigeninteressen zu verbinden. Mit seiner Initiative wollte er auch dem zögernden und zaudernden Bundeskanzler wieder einmal zeigen, wie man Politik macht.

Brigitte Fehrle