Fremdenhaß ist grenzenlos

■ Öffentliches Hearing zur Ausländerfeindlichkeit in der DDR in der Humboldt-Universität / Kritik an bisheriger Ausländerpolitik

„Polen sind faul, Tschechen sind dreckig und Vietnamesen kaufen uns die Nähmaschinen weg.“ So der Tenor von Leserbriefen an die 'Berliner Zeitung‘, aus denen die Journalistin Ruth Eberhard bei einem Hearing „Fremdenhaß“ der Humboldt-Universität in Ost-Berlin zitiert. Nachdem sich Mitte November einige hundert polnische Bürger um Übersiedlung in die DDR bemüht hatten, hagelte es solche Schreiben, berichtete Eberhard gestern vor etwa zweihundert StudentInnen. Eine Schreiberin erinnerte an die plombierten Züge, die Anfang diesen Jahrhunderts unerwünschte Personen durch das deutsche Territorium fuhren.

Um den Aversionen gegen AusländerInnen entgegenzuarbeiten, hat sich der Arbeitskreis „Fremdenhaß“ an der Fakultät Ethnographie der Humbold-Universität gegründet. Von diesem ging die Initiative zu dem Hearing aus. Zur Sprache kommen an diesem Tag zum ersten Mal öffentlich auch die Probleme ausländischer Studenten, sogenannter „Mischehen“ und der Arbeitskräfte aus dem Ausland. Ghettoisierung, subtile Diskriminierungen und offene Feindschaft von Seiten deutscher Kleinbürger ist für viele AusländerInnen in der DDR Alltag. Vietnamesische Frauen dürfen nur unter der Bedingung in der DDR arbeiten, daß sie ihre Kinder zu Hause lassen. Kubanerinnen werden, sollten sie schwanger werden, so schnell wie möglich nach Hause geschickt.

Harsche Kritik wurde an der bisherigen Ausländerpolitik der DDR-Regierung geübt. Sie habe junge und gesunde Arbeitskräfte ins Land geholt, um der Abwanderung der eigenen Werktätigen gen Westen zu begegnen. Die Ausländer seien unter unwürdigen Bedingungen untergebracht und auf den schlechtesten Arbeitsplätzen eingesetzt worden. Das sei eine versteckte Form der Ausbeutung. Ein indischer Journalist von „Radio Berlin International“ forderte eine liberalere Asylpolitik für die DDR.

Kritik wurde auch geübt an der „Liga für Völkerfreundschaft“, deren Arbeit als unzureichend bezeichnet wurde. Dr. Stratmann vom neuen Amt für Nationale Sicherheit (früher Ministerium für Staatssicherheit) sprach sich dafür aus, daß die verbliebenen Mitarbeiter seiner Behörde verstärkt den Kampf gegen die rechte Ideologie, den Neonazismus und Ausländerfeindlichkeit in der DDR aufnehmen.

Rüdiger Rosenthal