„Dann ist endlich Ruhe!“

■ Ehemann randalierte: Mutter mit fünf Kindern soll morgen zwangsgeräumt werden / Den Geschwistern droht das Heim

In der Wohnung keine Spur von Auszugshektik oder gar Panik Keine Kisten, keine Koffer, die Küche gemütlich eingerichtet. Im Wohnzimmer spielen die vier Kinder, die älteste ist in der Schule. Nein, packen wird sie hier nichts, sagt Gudrun Fischer trotzig. Das soll der Gerichtsvollzieher mit seinen Leuten schon selber machen, wenn es denn zum schlimmsten Fall kommen sollte - der Zwangsräumung. Bis morgen hat die 33jährige Zeit, eine Wohnung zu finden. Alleinstehend, fünf Kinder, auf Sozialhilfe angewiesen.

Dabei glaubte sich Gudrun Fischer eigentlich auf dem Weg nach oben. Nach sieben Jahren Kinder erziehen, war ihr wieder der Einstieg in den Beruf gelungen. Als Dauernachtwache hatte sie im Krankenhaus angefangen, für die Betreuung der Kinder war eine Haushaltshilfe organisiert. „Total stolz“ war sie, das gepackt zu haben. Als die die Kündigung der Wohnung, vor Monaten ausgesprochen, trotz gerichtlicher Schritte immer unausweichlicher wurde, erschien sie nicht mehr zum Dienst, „weil ich einfach nicht mehr arbeiten konnte“. Dem Kündigungsschreiben der Vermieterin, folgte das des Arbeitgebers.

Sie tritt, der drohenden Katastrophe zum Trotz, energisch und eloquent auf. Bei den Ämtern die in Tränen aufgelöste Hilflosigkeit zu verkörpern, das liege ihr nicht, „obwohl ich auf der Mitleidstour bestimmt besser geritten wäre“. Unter ihrem Selbstbewußtsein habe wohl auch ihr Mann gelitten. So gelitten, daß er, meist betrunken, sie und die Kinder mehrfach bedroht hat, am Arbeitsplatz und daheim. Weil er im Haus eine Hauswartstelle übernehmen konnte, bekam die Familie vor einem Jahr die Wohnung; weil ihm die Stelle im Mai wieder gekündigt wurde, steht Gudrun Fischer mit einem Bein auf der Straße. Mittlerweile leben sie in Scheidung. Er selbst habe eine neue Bleibe zur Untermiete gefunden. Die Möglichkeit, selbst Hauswartstelle und Wohnung zu übernehmen, schlug sie damals aus - wegen der angebotenen Arbeitsbedingungen.

Daß ihr Mann jetzt am Küchentisch sitzt und auf die Kinder aufpaßt, während Gudrun Fischer Wohnung sucht, gehört zu den Schritten, die die Vermieterin nicht mehr begreifen kann. Die hatte mehrmals die Polizei gerufen, „als der wieder auf sie und die Kinder losgegangen ist“. Auch die Nachbarn zucken hilflos mit den Schultern, sind besorgt um die eigenen Kinder, die sich nach Wutausbrüchen des Mannes nicht mehr ins Treppenhaus trauen. Außerdem stehe bereits der Nachmieter vor der Tür - Übersiedler aus der DDR. „Irgendwann muß doch mal Ruhe in das Haus kommen“, sagt die Eigentümerin.

Für den schlimmsten Fall, an den Gudrun Fischer im Moment nicht denken will, steht den Kindern die Einweisung ins Heim bevor. Das Sozialamt, das die Wohnung notfalls beschlagnahmen könnte, muß in diesem Fall untätig bleiben: Dienstwohnungen sind von der Beschlagnahme ausgenommen. „Die Sozialarbeiterin hat zumindest zugesichert, die Kinder zusammen unterzubringen.“ Sie hat Angst, die vier dann nicht mehr aus dem Heim herauszubekommen. Im Frauenhaus unterzuschlüpfen - das sei eine letzte Möglichkeit; bloß dürfen die, streng genommen, keine Frau „nur“ wegen Obdachlosigkeit aufnehmen. „Und im Moment werde ich ja nicht bedroht.“

Ihr Gemütszustand schwankt zwischen Hoffen auf ein Wunder und der Vorahnung einer Katastrophe. „Ich würde sogar in die DDR ziehen - liebend gerne, wenn ich da für mich und die Kinder eine Bleibe finde.“

Andrea Böhm