: Gen-Petunien dürfen blühen
■ Freisetzung von gentechnisch manipulierten Organismen wird wieder ohne Rechtsgrundlage genehmigt
Berlin (taz) - Die erste Freisetzung von gentechnisch manipulierten Organismen in der Bundesrepublik soll endgültig im Frühjahr 1990 auf einem fußballfeldgroßen Acker des Kölner Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung erfolgen. Dort wollen die Pflanzenforscher 37.000 Petunien mit einem künstlich eingeschleusten Maisgen auspflanzen, um nach „springenden Genen“ zu suchen. Das Experiment soll noch vor Inkrafttreten des neuen Gentechnik-Schutzgesetztes genehmigt werden, das vermutlich erst im Frühsommer 1990 in Kraft tritt. Dies war aus der ZentrakKommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) zu erfahren, die am Dienstag in Frankfurt tagte. In der Sitzung wurde über den Stand des Kölner Petunienprojektes berichtet. Das Experiment, das schon im Mai letzten Jahres vom Bundesgesundheitsamt freigegeben worden war, dann aber wegen Akzeptanzproblemen und Schwierigkeiten mit dem gentechnisch manipulierten Erbgut verschoben wurde, ist inzwischen von der Zentralkommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) und vom Bundesgesundheitsamt zum zweiten Mal abgesegnet worden. Auch das Umweltbundesamt und die Braunschweiger Biologische Bundesanstalt haben ihr Okay gegeben. Der Genehmigungsbescheid, der bisher noch nicht an das Kölner Institut gegangen ist, wird in den nächsten Wochen erteilt.
Von dem Grundsatzurteil des hessischen Verwaltungsgerichtshofes in Kassel zeigen sich die ZKBS, aber auch das Max-Planck-Institut unbeeindruckt. Die Kasseler Richter hatten am 6.November die gentechnische Gewinnung von Humaninsulin durch die Hoechst AG gestoppt und dies mit der fehlenden Rechtsgrundlage bei der Gentechnik begründet: „Die zur Zeit nicht abschätzbaren Risiken für Mensch und Umwelt versagen es den Gerichten, sich an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen und über das Ob und Wie der Nutzung der Gentechnologie zu befinden.“
Professor Saedler, Leiter des Petunienexperiments, sagte zur taz, daß er dieses Urteil „bedauernd zur Kenntnis genommen“ habe, aber dennoch - auch ohne Gentechnik-Gesetz an seinem Versuch für die Vegetationsperiode 1990 festhalte. Er achte die Vorschriften, aber wenn das Bundesgesundheitsamt das Experiment genehmige, werde er es auch durchführen. Die genmanipulierten Petunien werden dann im Frühjahr ausgesät und im Mai nach Ende der Nachtfröste ins Freiland gepflanzt.
Die Grünen in NRW kritisierten gestern den „erneuten Versuch, die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen ohne Rechtsgrundlage durchzupauken“. Die Durchführung von Freilandversuchen, ohne den derzeit im Bundestag diskutierten Gesetzentwurf abzuwarten, sei ein glatter Rechtsbruch. „Es darf nicht angehen“, heißt es in der Erklärung, daß „Institutionen wie das Max-Planck -Institut zum Vorreiter einer industriell eingesetzten Gentechnologie ohne gesetzliche Grundlage werden.“
Manfred Kriener
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