Opec-Prozeß: Tiedemann entlastet

Gabriele Tiedemann verurteilt RAF-Anschlag / Zeuge sieht keine Ähnlichkeit zwischen Angeklagter und Täterin / Früher hatte er sie auf Polizeifotos als Mitglied des Kommandos bezeichnet  ■  Aus Köln Walter Jakobs

Die in Köln wegen Beteiligung am Überfall auf das Hauptgebäude der Opec im Dezember 1975 angeklagte Gabriele Tiedemann ist von einem wichtigen Belastungszeugen am Mittwoch im Gericht nicht erkannt worden. Auf die Frage der Staatsanwaltschaft: „Diese Frau ist es nicht gewesen?“ sagte der ehemalige Opec-Fahrer Eduard Hinterecker wörtlich: „Nein, die Nase paßt nicht.“ Die zwischen ihren Verteidigern sitzende Frau Tiedemann sei der Frau, die dem Kommando angehört habe, „überhaupt nicht“ ähnlich. Laut Anklage soll Frau Tiedemann bei dem vom „Topterroristen“ Carlos angeführtem Kommandoüberfall einen irakischen Leibwächter und einen österreichischen Kriminalbeamten erschossen haben. Der Zeuge Hinterecker hatte gegenüber der österreichischen Staatspolizei am 23.1.1976 Frau Tiedemann anhand von Fahndungsfotos in einer Lichtbildmappe als die einzige weibliche Kommandoangehörige bezeichnet. Bei der richterlichen Vernehmung einen Monat später sagte er laut Protokoll: „Ich habe Frau Tiedemann einwandfrei wiedererkannt.“ In seiner ersten Personenbeschreibung gegenüber der Polizei hatte Hinterecker die weibliche Täterin noch als Frau „vermutlich arabischer Herkunft“ bezeichnet. Zur Zeit des Überfalls befand sich Hinterecker im Zentrum des Gebäudes. Von Carlos selbst will er erfahren haben, daß die Frau die beiden Beamten erschossen habe. Wörtlich habe Carlos zu ihm gesagt: „Seien Sie vorsichtig, sie ist ein gutes Mädchen, sie hat eben zwei Menschen erschossen.“

Prozessual ist nicht die Gegenüberstellung im Gerichtssaal entscheidend, sondern sind es die Aussagen unmittelbar nach der Tat. Jetzt räumte der Zeuge ein, daß er vor der Fotoidentifizierung das Bild von Frau Tiedemann möglicherweise schon in den Zeitungen gesehen habe.

Kurz vor Prozeßende ergriff Frau Tiedemann am Mittwoch erstmals das Wort, weil sie befürchte, daß die „sachliche Atmosphäre dieses Prozesses“ durch den Anschlag auf Alfred Herrhausen „negativ beeinflußt werden könnte“. Sie habe zwar seit neun Jahren „mit dem Terrorismus und seiner Ideologie gebrochen“, doch trotzdem mache jeder neue Anschlag in den Augen der Öffentlichkeit auch alle die wieder verdächtig, die sich distanziert hätten. „Jeder neue Anschlag ist ein Rückschlag auf dem Weg der Resozialisierungsbemühungen derjenigen, die sich heute entschieden gegen die nur noch menschenverachtende und stupide Pseudopolitik dieser Gruppierung stellen, wie sie in dem Anschlag gegen Herrhausen zum Ausdruck kommt.“ Die „Morde der RAF“ seien der ebenso „zynische wie größenwahnsinnige Versuch“, die „primitive Logik der alten Schwarzweißideologien in die Köpfe der Menschen zurückzubomben“.