Landnahme in Friedenszeiten

■ Bundeswehr will in Bremen-Nord Kaserne für über 20 Millionen Mark erweitern / Kritik des Beirates

Einen „bedauerlichen Mangel an Fingerspitzengefühl“ attestieren die Burglesumer GRÜNEN der Bundeswehr. Deren VertreterInnen aus Bremen und Hannover stellten dem Burglesumer Beirat am Dienstagabend Erweiterungspläne für die Kaserne in Grohn vor. Die dort untergebrachte „Schule Technische Truppe II“ soll neue Ausbildungseinrichtungen und Parkplätze erhalten. Um sich in gewünschtem Maß ausdehnen zu können müßte die Kaserne allerdings um rund vier Hektar erweitert werden. Was die Burglesumer GRÜNEN so erzürnt, ist die Tatsache, daß die Bundeswehr trotz der „augenblicklichen friedenspolitischen Situation in Europa“ (Ludwig Schönenbach, GRÜNES Beiratsmitglied) an eine Erweiterung ihrer Einrichtungen denkt. Verhaltene Zweifel an der Notwendigkeit wurden auch von anderen Beiratsmitgliedern geäußert. Beiratsprecherin Elli Aulfes (SPD): „Jetzt, wo sich fast stündlich im Osten was ändert, frage ich mich, ob wir das alles überhaupt brauchen.“ Und selbst CDU-Beirat Ulrich Redeker wollte nicht recht einsehen, warum es bei „weniger Soldaten mehr Gebäude“ geben müsse. Der Grohner Oberstleutnant Wolfram Achenbach rechtfertigte die Erweiterung vor allem mit „immer noch vorhandenem Ausbildungsbedarf bei der Truppe“. Besonders das u.a. vorgesehene 'Stabs-und Lehrzentrum‘ verteidigt er: „Zur Zeit sind sämtliche Ausbildungseinrichtungen über das ganze Kasernengelände verteilt. Um ihre Räume zu erreichen, müssen die Soldaten am Tag mehrere Kilometer laufen. Das ist einmal unwirtschaftlich und zum anderen sind solche Zustände in der Erwachsenenbildung heute kaum zumutbar.“

Christiane Schöllkopf-Stirsing, Dezernentin für Infrastruktur bei der Wehrbereichsverwaltung II in Hannover, kommentierte die Beiratskritik mit der Bemerkung, man habe bei den Planungen die Entwicklungen in Osteuropa nicht absehen können. Zum Sinn der Planungen wollte sie sich aber nicht äußern: „Das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.“ Sie wolle die Einwände des Beirats aber in Bonn vortragen.

Erste Pläne für eine Ausdehnung der Kaserne in Grohn gab es bereits 1986. Damals wollte man bis fast an das Ufer der Lesum ran. Das nötige Gelände wollte die Bundeswehr durch Gebietstausch mit der Stadtgemeinde Bremen bekommen: Der Bund wollte die ihm gehörende Hälfte von „Böhmers Park“ an Bremen abtreten. Im Gegenzug sollte der Bund die Sportanlage Oeverberg bekommen. „Aus Umweltschutzgründen“ stimmte Bremen dem Tausch zu. In „Böhmers Park“ gibt es sehr alten Baumbestand mit teilweise über 100-jährigen Eichen. Einzige Bedingung Bremens für den Gebietstausch: Die Flächen für die Sportanlage Oeversberg, die in einem Teil von „Böhmers Park“ angelegt werden sollten, zahlt der Bund. Weil die Anwohner sich gegen die Pläne wehrten, legte man sie im Frühjahr 1989 zu den Akten.

Um zu erweitern, blieb der Bundeswehr nur der Weg gen Norden, zur Bundesstraße 74. Die Flächen dafür sollen ebenfalls durch Gebietstausch mit der Stadtgemeinde Bremen beschafft werden. Zur Verteilung steht nach wie vor „Böhmers Park“. In „unzulässiger Weise“ werde da die Ökologie ins Spiel gebracht, monierten die Grünen, die auch erhebliche Bedenken gegen die 11.000 Qudratmeter neuer Park

fläche vorbrachten: „Überall diskutiert man über den ÖPNV, nur die Bundeswehr baut massenhaft neue Parkplätze.“ Darüberhinaus verstoße es gegen das Flächenentsiegelungsprogramm des Senats.

Die Einwände der anderen Parteien sorgten sich mehr um die gefährdete Ruhe der Anwohner, weil die Kaserne genau an ein Wohngebiet grenzt und auf dem Gelände zukünftig auch Kfz -Ausbildung betrieben werden soll.

„Wenn alles glatt läuft mit der Grundstücksbeschaffung“ (Christiane Schöllkopf-Stirsing) solle

bis 1992 mit dem Bau begonnen werden. Die Kosten für die Erweiterung der Bundeswehr-Anlage nebst den zusätzlichen Infrastruktureinrichtungen sollen sich nach Informationen der taz auf weit über 20 Millionen Mark belaufen. Bevor allerdings mit dem ersten Spatenstich vollendete Tatsachen geschaffen werden, bekommen die Bürger Gelegenheit, ihre Meinung zu den Bundeswehrplänen loszuwerden: Am 30. Januar findet eine Einwohnerversammlung statt.

Ulf Buschmann