Mafia bombt Geheimdienst in die Luft

Vor dem Gebäude des kolumbianischen Geheimdienstes DAS detonierten über 100 Kilogramm Dynamit Über 40 Tote / Drogenmafia besteht auf Volksabstimmung über Auslieferung inhaftierter Drogenbosse  ■  Aus Bogota Ciro Krauthausen

Der Sicherheitsbeamte hockt zwischen den Trümmern und blickt fassungslos auf die zerstörte Fassade des elfstöckigen Gebäudes. Auch ihn hätte der Tod an diesem Morgen erwischen können. Ein paar Meter weiter schauen Polizisten und Sanitäter bedrückt in einen Bombenkrater von etwa zwölf Meter Durchmesser und vier Meter Tiefe: Hier explodierte am Mittwoch morgen um 7 Uhr 15 eine in einem Lieferwagen deponierte Sprengladung von über 100 Kilogramm Dynamit. Bilder des Grauens: Untersuchungsrichter, die ihre alten Schreibmaschinen auf Autowracks gestellt haben und Protokolle über die zerfetzten Leichen aufsetzen. Ganze Straßenzüge im Westen der Hauptstadt Bogota sind verwüstet.

Über 40 Tote - Straßenverkäufer, PassantInnen und Sicherheitsbeamte - und 365 Schwerverletzte forderte am Mittwoch der mutmaßlich von Kokainbossen verübte Sprengstoffanschlag auf die Einrichtungen des kolumbianischen Geheimdienstes DAS. General Miguel Maza Marquez, Chef des DAS und einer der engagiertesten Widersacher der Drogenmafia in Kolumbien, überlebte in seinem gepanzerten Büro. Schon einmal, im Mai dieses Jahres, war er nur knapp einem Bombenanschlag entkommen. Im Kampf gegen die Drogenmafia sei der DAS alleingelassen worden, bemerkt bitter ein Mitarbeiter. Seit dem vergangenen Jahr veröffentlichte der Geheimdienst Untersuchungsberichte, in denen Verbindungen zwischen rechtsradikalen Todesschwadronen, der Drogenmafia und Teilen des Militärs aufgedeckt wurden. Auch entdeckte der DAS die Beteiligung israelischer Söldner am Training kolumbianischer Killer. Noch im Oktober bezichtigte General Miguel Maza Marquez den Kokainbaron Gonzalo Rodriguez Gacha, an der Ermordung des liberalen Präsidentschaftskandidaten Luis Carlos Galan im vergangenen August beteiligt gewesen zu sein. Das jüngste Attentat war also vorhersehbar - tragisch wirkt da, daß der mit Sprengstoff bepackte Wagen gleich gegenüber dem DAS -Gebäude im absoluten Halteverbot abgestellt werden durfte.

Der Krieg werde solange weitergehen, ließ die der Drogenmafia angehörende Gruppe der „Auszuliefernden“ am Mittwoch verlauten, bis der Kongreß über die Auslieferung kolumbianischer Staatsangehöriger an ausländische Justizbehörden in einer Volksbefragung entscheiden lasse, die sich ansonsten mit Verfassungsfragen beschäftigt und für Januar geplant ist. Am Dienstag hatte sich schon das Repräsentantenhaus dafür ausgesprochen, das Volk zu befragen, ob es die „Auslieferung von Kolumbianern“ für richtig halte. Die Regierung argumentiert hingegen, eine solche Fragestellung führe nur zu einem Gemetzel und liefere die Wähler der Erpressung der Mafia aus. Präsident Barco fürchtet anscheinend, das einzige wirkungsvolle Strafverfolgungsinstrument, die Auslieferung, bei einer Volksbefragung zu verlieren. Innerhalb der nächsten zwei Wochen wird der Senat über den Fragenkatalog befinden. Das Attentat vom Mittwoch könnte sich dabei für die Kokainbarone als eine Harke herausstellen: Der ohnehin eher regierungstreue Senat kann sich vor der nationalen und internationalen Öffentlichkeit kaum dem Druck der Mafia beugen.

Erst am Vortag des jüngsten und bisher größten Sprengstoffanschlags war offiziell bestätigt worden, daß der Flugzeugabsturz einer Boeing 727 am 27.November in der Umgebung Bogotas auf einen Bombenanschlag zurückzuführen ist, den wahrscheinlich die Drogenmafia verübt hat. Ebenfalls am Dienstag wurde in der Zweimillionenstadt Medellin erneut ein Richter ermordet, der sich mit Prozessen gegen die Drogenhändler beschäftigte.

Solche skrupellosen Machtdemonstrationen der Kokainbosse führen Kolumbien weiter in die Sackgasse der Gewalt. Die erbitterten Gegner der Mafia, unter ihnen auch die Regierung, sehen sich in der Notwendigkeit des Drogenkrieges bestätigt. Einflußreiche Kräfte wie beispielsweise der Kongreß setzen - aus Korruption oder Überzeugung - dagegen auf eine Verständigung mit den Mafiosi. Noch waren nicht alle Leichen geborgen, da sagte Omar Henry Velasco, nationaler Chef der Untersuchungsrichter: „Wir müssen auf weitere Attentate vorbereitet sein.“ Tatsächlich explodierten bereits am Mittwoch abend in Medellin sechs Sprengsätze wiederum der Drogenmafia.