: Amnestie in der DDR
■ Korruption und Amtsmißbrauch fallen nicht unter Gnadenerlaß
Berlin (afp/dpa/taz) - Amnestie, aber nicht für alle: Der am Mittwoch vom Staatsrat der DDR verkündete Gnadenerlaß gilt nicht für Personen, gegen die wegen Korruption, Machtmißbrauch oder Bereicherung ermittelt wird. Ausgeschlossen sind auch Personen, die wegen Sexualdelikten, Raub und Erpressung sowie Tötungsdelikten und schwerer Körperverletzung verurteilt wurden. Nicht unter die Amnestie verfallen auch wegen „Rowdytums“ inhaftierte Personen.
Zu der Gruppe, die unter diesen Gummiparagraphen fallen, gehören z.B. drei Demonstranten, die am 4. und 5. November bei den Protesten am Dresdener Bahnhof festgenommen und verurteilt wurden, weil sie Brand- und Säureflaschen geworfen und Autos angezündet hatten. Diejenigen, die seit den Demonstrationen am 7./8. November wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ im Knast sitzen, können dagegen jetzt damit rechnen, freigelassen zu werden.
Der Gnadenerlaß soll die bereits am 27. Oktober verkündete Amnestie ergänzen und sieht vor, alle bis zum 6. Dezember wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Vergehen zu Haftstrafen bis zu drei Jahren verurteilten Gefangenen bis Mitte Februar zu entlassen. Für die Amnestierten besteht eine Bewährungsfrist von drei Jahren. Sollten sie in dieser Zeit erneut gegen das Gesetz verstoßen, wird die zuvor nicht verbüßte Strafe zusätzlich vollstreckt. Von der Amnestie sind auch Auflagen erfaßt, die eine Einschränkung der Freizügigkeit bedeuten, wie z.B. das Verbot, bestimmte Personen zu treffen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Amnestie kam es am Mittwoch in der Haftanstalt Brandenburg zu massiven Protestaktionen von Häftlingen. Die Gefangenen, die weitergehendere Bestimmungen forderten, zerstörten Möbel und warfen brennende Gegenstände aus ihren Zellenfenstern. Nach einem Bericht der DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ versuchten rund 70 Personen auszubrechen.
Der Aufstand war am Abend wieder vorbei, aber die Gefangenen kündigten gestern an, ihren Hungerstreik und die Arbeitsverweigerung fortzusetzen. In Brandenburg sind vor allem Personen inhaftiert, die wegen der Schwere ihrer Tat nicht unter die Amnestie fallen. Auch in anderen DDR-Knästen verweigerten Gefangene Arbeit und Essen - so in Bautzen im Bezirk Dresden und in Neu-Strelitz in Neubrandenburg.
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