Repräsentation und Prostitution

■ Vortrag über die Geschichte der „Weiblichen Schauspielkunst“ im Frauenkulturhaus

2000 Jahre lang kam das antike Theater ohne Frauen aus. Warum war die Schauspielerei dann einer der ersten „weiblichen Berufe“ - in einer Zeit, in der Frauen die Eignung für fast alle beruflichen Tätigkeiten abgesprochen wurde? Das war Thema des Vortrags der Kölner Theaterwissenschaftlerin Dr. Renate Möhrmann.

Erst der Realismus der italienischen Renaissance läßt Männer für Frauenrollen ungeeignet erscheinen. Das Theater kommt nicht mehr ohne Frauengesichter aus. Nun muß frau sich die Schauspielerei zu jener Zeit nicht als „ordentlichen Beruf“ vorstellen. Die Schauspielensembles - zu

erst der italienischen Commedia dell'arte - sind fahrende Familienbetriebe, die von der Bevölkerung neugierig und mißtrauisch beäugt werden. Sie spielen auf Plätzen ohne Prestige: an den Orten, wo Hinrichtungen und Theater gleichermaßen der Volksbelustigung dienen.

Das gefällt dem Klerus nicht. Die fahrenden SchauspielgesellInnen entziehen sich zu sehr dem Zugriff der Kirche. Die Gottesvertreter diffamieren die Schauspielerin als lasterhafte, böse Frau, die Unmoral und Lüsternheit der Männer fördert und deren Kunstgenuß beeinträchtigt. Eine Aufwertung des Berufes bewirken schließlich Dramatiker der

französischen Klassik (z.B. Moliere), die komplexe, dramatische Frauenrollen schaffen. Erstmals ist Können und nicht das schöne Gesicht gefragt. Es entsteht eine „Theorie“ der Schauspielkunst. Nach Diderot ist die Schauspielerin eine Arbeiterin zwischen Einfühlung und Verstand, die Rollen lernt, den Körper trainiert. Die Schauspielerinnen spezialisieren in dieser Zeit ihre Fähigkeiten und dürfen sich als „Sprachrohr der Dichter“ fühlen.

Im 19.Jhdt. erleidet diese Entwicklung einen Bruch. In der Zeit der Industrialisierung und des aufsteigenden Bürgertums gründen sich viele kleine „Geschäftstheater“, deren Qualitätsansprüche zu wünschen übrig lassen. Mehr denn je sind die Aufstiegschancen einer Schauspielerin mit den sexuellen Gelüsten ihres Agenten verbunden. Verwunderlich, wenn man bedenkt, daß die Schauspielerei einer der wenigen für Bürgertöchter standesgemäßen Berufe war. Die meisten erreichten ihr Ziel nicht und endeten in Verelendung. Weil davon ausgegangen wurde, daß Schau

spielerinnen es nicht schwer haben würden, „zahlende Kavaliere“ zu finden, lag ihre Gage um die Hälfte niedriger als die der männlichen Kollegen. Darüber hinaus war vertraglich verboten, schwanger oder krank zu werden oder zu heiraten. Wie anders sollte man die weibliche Attraktivität für den männlichen Zuschauerblick garantieren? Im harten, unsicheren Schauspielerinnenleben war die Prostitution quasi eingeplant. Ihr 16-Stunden-Tag ließ keine Reflexion über ihre Situation zu. Bis 1924 gab es keine Gesetze zum Schutz der Schauspielerin. Sie war ausschließlich der Hausordnung ihres Theaters verpflichtet.

Was hielt die Frauen auf dem Weg in die sichere Armut im Alter? Der „Mythos der Schauspielerin“: die Selbstberauschung am Status der Künstlerin, die große Hoffnung auf Durchbruch - schon sind wir in der Gegenwart angekommen. Beate Ram

„Die Schauspielerin“. Zur Kulturgeschichte der weiblichen Bühnenkunst. Hg. von Renate Möhrmann. Insel Verlag, DM 48. -