„Eine Kontamination liegt vor!“

■ West-Berliner Müll hat das Grundwasser in Vorketzin und Schöneiche (DDR) verseucht / Das Problem: Die Nachbargemeinden pumpen ihr Trinkwasser direkt aus dem Boden / Acht Brunnen in Vorketzin geschlossen / Auch das Wasserwerk Mittenwalde ist gefährdet

Die nahe bei Berlin gelegenen Mülldeponien in Vorketzin und Schöneiche, auf denen Westberliner Haus- und Giftmüll abgekippt wird, verseuchen nicht nur das Grundwasser, sondern bedrohen auch die Trinkwasserversorgung der umliegenden Gemeinden. Das haben die Behörden der DDR jetzt erstmals zugegeben. Am Donnerstag abend räumte Olaf Hikel von der Staatlichen Gewässeraufsicht Mittenwalde ein, daß am Rande der Deponie Schöneiche - rund 20 Kilometer südlich von Berlin entfernt - „eine Kontamination“ des Grundwassers „vorliegt“. Vor allem bei Ammonium und Sulfaten, so Hikel auf einem Bürgerforum in Kallinchen bei Schöneiche, seien die Trinkwasser-Grenzwerte zum Teil deutlich überschritten.

Brisanz gewinnt diese Nachricht, weil die Bewohner der umliegenden Gemeinden an keine zentrale Wasserversorgung angeschlossen sind, sondern ihr Trinkwasser in privaten Brunnen aus dem Boden pumpen. In Vorketzin mußten die Behörden bereits acht private Trinkwasserbrunnen einer Wochenendsiedlung schließen. Das bestätigte gestern Bernd Reise, Abteilungsleiter im DDR-Umweltministerium, gegenüber der taz.

In der Umgebung der Deponie Schöneiche ist vor allem das 500-Einwohner-Dorf Gallun betroffen. Es liegt unweit der Hauptfließrichtung des Grundwassers. Es sei „nicht auszuschließen“, daß das Grundwasser hier verseucht werde, sagte Hikel. Gefährdet sind aber auch die Trinkwasserbrunnen der weiter nördlich gelegenen Mittenwalder Wasserwerke.

Die Ammoniumwerte in Pegelbrunnen rund um die Deponien in Schöneiche liegen zum Teil um das mehrhundertfache über den DDR-Grenzwerten. Diese Höchstwerte hat die Gewässeraufsicht nahe der alten Deponie Schöneicher Plan ermittelt, die seit den zwanziger Jahren mit Müll beschickt wird und die heute von der Ostberliner Stadtreinigung genutzt wird. Aber auch an der benachbarten Westmülldeponie, die 1977 in Betrieb ging, sei die Kontamination bereits „gravierend“, sagte Hikel.

Schnellstens, so gestern auch DDR-Umweltminister Reichelt, müßten die Anlieger an ein zentrales Wasserwerk angeschlossen werden. Ein Vertreter des Potsdamer Rats des Bezirks, Rößiger, versprach in Kallinchen, daß die Arbeiten dafür 1990 beginnen würden. Die Kosten werden mit 70 Millionen Mark (Ost) veranschlagt. Nötig sei außerdem eine großflächige Sanierung des Gebiets, sagte Rößiger. Hier sind die Kosten noch offen.

Zur Zeit verkippt die Westberliner Städtereinigung in Schöneiche jährlich etwa 600.000 Tonnen Hausmüll; nach Vorketzin schickt West-Berlin neben 400.000 Tonnen Hausmüll zur Zeit etwa 25.000 Tonnen Giftmüll. Dazu kommen etwa 200.000 Tonnen Müll aus Westdeutschland. In Schöneiche steht außerdem die für Westberliner Giftmüll bestimmte Sondermüll -Verbrennungsanlage, die wegen überhöhter Dioxin- und Quecksilberwerte zur Zeit stilliegt.

hmt

(siehe auch Bericht S.36)