Die US-„Kommies“ feierten ihren 70.

Die Jubiläumsfeier der CPUSA glich einem Kaffeekränzchen bei den Grauen Panthern / Die Blütezeit der heute 15.000 Menschen starken Partei ist trotz Ende des Kalten Krieges vorüber / Zu lange Moskau-hörig  ■  Aus New York Rolf Paasch

New York an einem Sonntagnachmittag, Anfang Dezember. Nach einem plötzlichen Kälteeinbruch jagt ein eisiger Wind durch die leergefegten Straßenschluchten Manhattans. Nur an der Ecke West Street und Chambers Street strebt eine Schar vermummter Figuren dem „Manhattan Community College“ zu. „Bei diesem Sauwetter zu kommen, das zeugt von wahrhaft revolutionärem Geist.“ Mit diesen Worten begrüßt KP-Chef Gus Hall die rund 600 Unentwegten drinnen im warmen Theatersaal zum 70. Geburtstag der „Communist Party USA“. Während die kommunistischen Bruder/Schwester-Parteien in der Alten Welt gerade ihrem Begräbnis entgegensehen, kann die US -amerikanische KP stolz ihre unangefochtene Existenz feiern. Angst vor einem Machtverlust brauchen die KommunistInnen in der Neuen Welt nicht haben. Sie haben Macht nie besessen. Vielleicht ist es das, was die Partei und ihre rund 15.000 Mitglieder so liebenswert macht.

Zum Aufwärmen spielt ein Jazz Quartet, dessen schwarze Musiker mit ihren dunklen Sonnenbrillen an die revolutionären Zeiten der „Black Panther“ erinnern. Das Publikum scheint dagegen eher aus dem Lager der Grauen Panther zu stammen: alles weißhaarige ältere Ladies und Gents, die die Coltrane-Nummer „Contemplation“ zur Rückbesinnung nutzen. „Wissen Sie, damals in der großen Wirtschaftskrise“, so erzählt uns Molly Manilow, die noch zwölf Jahre älter ist als ihre Partei, „da waren wir bei allen sozialen Kämpfen gegen Ungleichheit und Ungerechtigkeit an vorderster Front.“ Damals marschierten die KommunistInnen an der Spitze der Hungermärsche. Sie organisierten Arbeitslosenräte und bemühten sich, das schwarze Proletariat New Yorks für den Klassenkampf zu erwärmen.

„Black and white, unit and fight“ lautete ihr Slogan, lange bevor die Bürgerrechtsbewegung in den 50er und 60er Jahren die Apartheid in Amerika zum Thema machte. Zwar sind die USA das einzige spätkapitalistische Land, das nie eine breite radikale Bewegung hervorgebracht hat, doch gelang es der CPUSA vor allem im Harlem der 20er Jahre, politischen Einfluß auszuüben, der über ihre eigenen Anhängerschaft hinausreichte. Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität konnte die Partei rund 100.000 Mitglieder verbuchen, die inspiriert von der russischen Revolution, entsetzt über die Folgen des imperialistischen Ersten Weltkrieges und empört über die soziale Ungleichheit im Land der Großen Depression mit viel Mut auf die Straße gingen. „Wir sind mit Sicherheit die couragierteste Partei Amerikas“, ruft der schwarze New Yorker KP-Vorsitzende, Jarvis Tyner, selbstbewußt von seinem Rednerpult.

Und Molly berichtet, wie es ihr damals das Herz brach, wenn ihre Kinder weinend aus der Schule nach Hause kamen, wo sie als „Kommie-Brut“ beschimpft und verprügelt wurden. Sie und ihr Mann hätten viel gelitten. Doch: „Unsere Prinzipien aufgeben, nein, niemals.“ Wie Molly Manilow sind sie fast alle bis ins hohe Alter der Partei treu geblieben, die für viele der jüdischen Einwanderer in New York zur zweiten Heimat wurde. Mindestens einmal die Woche treffen sie sich, um zu debattieren oder Plakate zu malen, für den Kampf gegen Rassismus und Faschismus überall. Selbst die sonst gerade in New York anzutreffenden Ressentiments zwischen Juden und Schwarzen scheint innerhalb der KP keine Spannungen zu erzeugen. Die Grußbotschaft vom ANC aus Südafrika wird ebenso höflich beklatscht wie die palästinensischer Organisationen. „Zuallererst sind wir halt Kommunisten“, erklärt uns Marvin Abrams, ein Angestellter der New Yorker Musikergewerkschaft, der sich als Schwarzer in der CPUSA „immer noch am besten aufgehoben fühlt“.

Erst als der Parteivorsitzende Gus Hall seine von reinem Wunschdenken geprägte Einschätzung linker Politik in den USA ans Parteivolk bringt, läßt sich erkennen, warum die CPUSA heute Nachwuchssorgen hat. Die Partei hat sich von ihrer Beinahezerstörung durch die politische Inquisition der McCarthy-Jahre nie mehr richtig erholt. Das Schicksal des seit 1959 als Parteivorsitzender amtierenden ehemaligen Holzfällers und Stahlarbeiters Hall steht dabei stellvertretend für eine Partei, die es nie vermochte, aus ihrer Zivilcourage politisches Kapital zu schlagen. Die Zeit zwischen dem 20.Juli 1948 - als Gus Hall mit elf weiteren Parteimitgliedern der Verschwörung zum Umsturz der US -Regierung angeklagt wurde - bis zum 18.Dezember 1963 - als das Oberste Gericht endlich die Verfassungsmäßigkeit der CPUSA bestätigte - waren für Hall und seine Partei Jahre der Verfolgung, von denen der Parteichef selbst acht Jahre im Hochsicherheitsknast in Kansas verbrachte.

Die Zeit, da KommunistInnen im „freien“ Amerika bestenfalls wie Aussätzige und schlimmstenfalls wie Kriminelle behandelt wurden, sitzt den meisten Parteimitgliedern noch heute in den Gliedern. Seit dem Ende der offiziellen antikommunistischen Hetzjagd hat sich in der KP Amerikas allerdings kaum etwas verändert. Unter Halls uncharismatischer Führung hat die CPUSA nie ernsthaft versucht, sich von Moskau loszulösen. Chruschtschows Kritik an Stalin wurde weiland mit wenig Enthusiasmus zur Kenntnis genommen, die Parteierklärung zur sowjetischen Invasion 1968 in Prag gratulierte Reformern und Invasoren zugleich. Und selbst heute bricht noch eine Art Rest-Stalinismus durch, wenn Lech Walesa im Parteiorgan 'Daily World‘ noch als „gefährlicher Demagoge“ bezeichnet wird.

Für die Parteimitglieder jedoch sind dies nur Spitzfindigkeiten. Sie feiern Glasnost längst bei Kaffee und Kuchen und hoffen, daß das Ende des Kalten Krieges es leichter machen wird, in den USA KommunistIn zu sein. „Vielleicht könnt ihr jetzt unvoreingenommener über uns berichten“, neckt eine hutzelige alte Kommunistin den ABC -Reporter. Darauf habe er leider keinen Einfluß, erwidert der. „Was, keinen Einfluß“, faucht sie ihn da an. „Bist du denn in keiner Gewerkschaft? Für so was muß man halt kämpfen!“