Bonn apart: Bonn baut - ab

■ Was wird, wenn das Heerlager weiterzieht? Stadtverwaltungsbeamter: Träumen von der kleinen Zukunft

„Eine Instinktlosigkeit, die kaum zu überbieten ist“, nannte der SPD-Abgeordnete Peter Conradi die Baupläne der Bundesbauverwaltung für einen „goldenen Bunker mit allen Schikanen“ im Regierungsviertel. Fünf Millionen Mark für einen Atombunker auszugeben, sei unverträglich mit dem rasanten Abbau der west-östlichen Feindbilder und der derzeitigen Abrüstungsperspektiven, vertritt die SPD.

Die Bonner Bevölkerung mag das Bauvorhaben von ganz anderer Seite für instinktlos halten: Sie und insbesondere am Werterhalt interessierte Eigenheimbesitzer fragen sich derzeit - was wird angesichts der Wiederannäherung beider deutscher Staaten aus der provisorischen Hauptstadt?

Der tolpatschige Bonner Oberbürgermeister Daniels (CDU) hat wohl kaum zur beabsichtigten Beruhigung seiner Bürger beigetragen, als er vor wenigen Tagen versicherte, „der Bund wird Bonn nicht zurücklassen wie ein Heerlager mit unvollendeten Baustellen“.

Angesichts des geplanten Schanzbaues am Bundestag verstärkt dies noch Assoziationen mit erlittenen Verwüstungen marodierender Soldateska und macht Bonn ganz nebenbei zu einer besetzten Stadt. Man sei sich immer bewußt gewesen, daß Bonn die Aufgabe der Hauptstadt nur stellvertretend für Berlin wahrnimmt, hat Daniels noch nachgeschoben.

Die Auswirkungen: Aus der Immobilien-Branche ist zu hören, daß es bei der langfristigen Vermietung von Großobjekten bereits zu deutlicher Zurückhaltung der Interessenten gekommen sei. Dabei hatte Bonn sich in den letzten Jahren von der Rolle des Provisoriums gelöst. Im Bau ist gegenwärtig der Bundestag-Plenarsaal, ein Kongreßzentrum, Neubauten der Landesvertretungen von Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, das skandalträchtige Regierungsgästehaus Petersberg sowie ein Erweiterungsbau der Bundestagsverwaltung.

Soll das alles umsonst gewesen sein? Nein, sagt Bürgermeister Daniels und wird dialektisch: Gerade im Hinblick darauf, daß Bonn irgendwann nicht mehr Hauptstadt sei, müßten die Bauten besonders sorgfältig ausgeführt werden. Er hat große Vorbilder im Kopf. Genf, so meint Daniels, sei doch nach dem Wegzug des Völkerbunds auch eine attraktive Stadt geblieben. Ein Stadtverwaltungsbeamter aber ist auf große Zukunft gar nicht erpicht: „Die sollen ruhig alle gehen, dann haben wir wieder unsere Ruhe.“

Gerd Nowakowski