Staatssicherheit ist vom Tisch

■ Auflösung der Stasi bei Gesprächen am runden Tisch beschlossen / Neuwahlen sollen am 6. Mai stattfinden

Berlin (dpa/taz) - Nach elf Stunden Debatte bei Hawella -Apfelsaft und Scheinwerferlicht war man sich einig: die 33 Teilnehmer am runden Tisch beschlossen am frühen Freitag morgen, von der Regierung die Auflösung des „Amts für nationale Sicherheit“ alias Stasi, zu verlangen. Außerdem empfahlen sie Neuwahlen für den 6. Mai 1990.

Von Hans Modrow wurden Sofortmaßnahmen verlangt, um „der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Interessen unseres Volkes Rechnung zu tragen“, will sagen: eine spezielle Untersuchungsabteilung für die Aufklärung der Vorgänge um Amtsmißbrauch und Korruption einzusetzen und einen rechtlichen Rahmen für die unabhängigen Bürgerkomitees festzusetzen. Als um ein Uhr die erste Gesprächsrunde zu Ende ging - die zweite ist für den 18. Dezember festgelegt untertrieb Rolf Henrich vom Neuen Forum ganz staatsmännisch: „Die Runde hat etwas gebracht, aber es hätte mehr sein können.“ Immerhin ist die ursprüngliche Forderung der Opposition nach zähen Verhandlungen nahezu wortwörtlich in das Kommunique übernommen worden: „Die Regierung der DDR wird aufgefordert, das Amt für Nationale Sicherheit unter ziviler Kontrolle aufzulösen und die berufliche Eingliederung der ausscheidenden Mitarbeiter zu sichern. Über die Gewährleistung der eventuell notwendigen Dienste im Sicherheitsbereich soll die Regierung die Öffentlichkeit informieren.“ Zum Vergleich stelle man sich die Abschaffung von BKA und BND in der Bundesrepublik vor...

Ungeklärt bleibt weiterhin die Frage nach dem Verhältnis von rundem Tisch und Regierung. Zwar wird in der gemeinsam beschlossenen Präambel gefordert, daß die Tischrunde von Volkskammer und Regierung rechtzeitig über wichtige Entscheidungen „informiert und einbezogen“ wird. Doch von einer Neubestimmung der Regierung als „geschäftsführende Übergangsregierung“, wie es die Opposition vor den Gesprächen verlangt hatte, ist man noch weit entfernt. Schnell einigte sich die Runde - in der die Advokaten von Gysi über Gerlach bis zu Henrich den Ton angaben - über die Ausarbeitung einer neuen Verfassung.

Eine paritätisch besetzte Arbeitsgruppe, zu der eventuell weitere BügerInnen hinzugezogen werden, soll einen Entwurf ausarbeiten, über den in einer Volksabstimmung nach den Volkskammerwahlen entschieden werden soll.

Eine zweite Arbeitsgruppe wird sich mit Entwürfen für ein neues Wahl-, Parteien- und Vereinigungsgesetz befassen. Offen blieb die entscheidende Frage, wer über das Wahlgesetz entscheiden soll: die nicht demokratisch legitimierte Volkskammer oder das neue souveräne Volk in direkter Abstimmung?

smo