Tauziehen in der CSSR

■ Teilsieg für Bürgerforum / 50 Prozent Parteilose in der nächsten Regierung / Wird Havel Staatspräsident?

Prag (taz/afp) - In Prag haben am Freitag schwierige politische Verhandlungen zur Bewältigung der Krise begonnen, die sich durch den Rücktritt von Ministerpräsident Ladislav Adamec am Donnerstag verschärft hat. Kompliziert hat sich die Situation auch durch die Erklärung des führenden Oppositionellen und Schriftstellers Vaclav Havel, er sei gegebenenfalls bereit, das Amt des Staatspräsidenten zu übernehmen. Trotz außerordentlicher Vorbehalte gegenüber der Person Adamec‘ in der Bevölkerung hatte das Bürgerforum Adamec in der Öffentlichkeit in den letzten Tagen unter dem Motto „Unser Freund, der gute Kommunist“ präsentiert. Außerdem hatte das Bürgerforum die erneute Rücktrittsdrohung des Ministerpräsidenten nicht ernst genommen.

Staatspräsident Gustav Husak hatte am Donnerstag den 43jährigen Slowaken Marian Calfa mit der Regierungsbildung beauftragt. Das Bürgerforum hatte sich anfangs gegen seine Person verwahrt.

Calfa ging jedoch mittlerweile auf eine der Hauptforderungen des Bürgerforums ein und stimmte einer Beteiligung von 50 Prozent parteiloser Regierungsmitglieder zu. Wie die Nachrichtenagentur 'ctk‘ unter Berufung auf Regierungssprecher Marcel Jansen meldete, wünscht Calfa, daß die neue Regierung allgemeine Zustimmung findet, damit sie möglichst bald an die Arbeit gehen kann. Die andere Hälfte sollen sich die Blockparteien, Nationale Front und die KPC untereinander aufteilen.

Entgegen ihrer eigentlichen Absicht reichte die Opposition nun doch sieben Kandidaten ihrer Wahl ein. Demnach soll der Journalist und jetzige Sprecher des Forums, Jiri Dienstbier, zum Außenminister erkoren werden. Für den weltläufigen Dr.Vaclav Klaus vom „Prognose-Institut“ der Akademie der Wissenschaften ist das Finanzressort vorgesehen. Als ein harter Monetarist geht ihm der Ruf voraus, der „Friedmann von der Moldau“ zu sein. Petr Müller, Vertreter der Streikkomitees der Prager Maschinenfabrik CKT, soll das Ministerium für Ar Fortsetzung auf Seite 2

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beit und Soziales übernehmen. Alle drei Kandidaten gehörten auch der neunköpfigen Verhandlungsdelegation an. Zu einem der stellvertretenden Ministerpräsidenten muß nach der Vorstellung der Opposition Jan Cernogursky ernannt werden; er ist ein bekannter oppositioneller Katholik aus der Slowakei und von Hause aus Jurist. Noch vor zwei Wochen war er selbst inhaftiert. Unabhängig vom Ausgang der Regierungsbildung wird am kommenden Montag auf jeden Fall gestreikt: nach Havel „entweder ein lauter Warnschuß oder ein Volksfest“.

Die Kommunistische Partei gerät unter dem Druck der Bevölkerung in

die Defensive. Zum Abschluß einer Krisensitzung des Politbüros berief KPTsch-Chef Urbanek einen Sonderparteitag für den 20. und 21. Dezember ein, der ursprünglich einen Monat später hatte stattfinden sollen. Ein für nächsten Donnerstag angesetztes ZK-Plenum soll den Boden für eine Erneuerung der Partei vorbereiten. Das Politbüro schloß am Donnerstag den früheren KPTsch-Chef Jakes und den ehemaligen Prager KP-Generalsekretär Stepan aus, die für das brutale Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten am 17. November verantwortlich gemacht worden waren. Ferner sollen alle Mitglieder des Zentralkomitees, die das Rentenalter erreicht haben und „niemanden mehr repräsentieren“, auf ihre Ämter in diesem Gremium verzichten.