Wasserlos erfrieren?

■ Bürokraten verhindern in den besetzten Häusern minimalste Wintervorkehrungen / Wasserleitung ist inzwischen eingefroren

Die Staatsbürokratie hat es inzwischen geschafft, daß die Wasserleitungen in den besetzten Charlottenburger Häusern Marchstraße/Ecke Einsteinufer eingefroren sind. Noch hat der Einzug der Winterkälte die BesetzerInnen nicht zum Auszug bewogen. In den Koalitionsvereinbarungen von SPD und AL sind diese besetzten Häuser als ein zu realisierendes Wohn-, Arbeits-, Lehr- und Lernprojekt aufgenommen worden. Acht Monate sind vergangen, ohne daß etwas passiert ist.

Von Anfang an gab es Schwierigkeiten, wie ein solches Projekt von Seiten der Senatsverwaltungen zu koordinieren sei. Als Hauptverantwortliche galt bis Mitte November Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller-Seel. Sigrid Kneist, Pressesprecherin der Senatorin, erklärte dazu: „Frau Riedmüller hatte nicht die alleinige Zuständigkeit. Die Senatorin war nur federführend.“ Diese Federführung war wohl eher eine verwaschene Handschrift. Die Häuser verfielen weiter. Sechs Monate ruhten die Verhandlungen mit dem Eigentümer der Häuser, der Henning von Herlessen GmbH. Diese Verhandlungen sind aber gleichzeitig die Voraussetzung dafür, daß überhaupt etwas getan werden kann. Zum einen bedarf es einer Duldung des Eigentümers, um die Häuser überhaupt winterfest machen zu können und einen weiteren Verfall der Bausubstanz zu verhindern; zum anderen hätte ein Gesamtkonzept entworfen werden müssen , um in ernsthafte Kaufverhandlungen eintreten zu können. Denn erst dann wäre der Finanzsenat bereit gewesen, das Sparschwein zu zu öffnen. Daß es die Möglichkeit gab, alle Interessensgruppen in einem solchen Konzept zu vereinigen, bestätigt auch Hilde Schramm, Wissenschaftsexpertin der AL. Nach wie vor glaubt sie, daß sich ein rot-grünes Modellprojekt realisieren lasse, in dem sich die Interessen von Studierenden, Universität und Nichtstudierenden vereinbaren. Auch Jürgen Wagner (SPD) schließt die Möglichkeit nicht aus, daß die Senatorin nie so recht von einem „Mischprojekt“ überzeugt war. Sigrid Kneist bestätigte dies indirekt: „Recht angenehm war uns das alles nie so. Für unsere Zuständigkeit waren nur studentische Belange von Interesse. Außerdem gab es Schwierigkeiten, aus welchem Ressort das Projekt finanziert werden sollte.“ Zudem beklagte man in der Verwaltung für Wissenschaft und Forschung, daß die TU nur wenig Interesse an dem Projekt habe. Anderes geht aus der Tatsache hervor, daß die Kommission für Lehre und Studium der TU sechs Projekttutorien für das Projekt bewilligt hat.

Letztlich hatte die Wissenschaftssenatorin die politische Verantwortung, nur hat sie sich geweigert, sie auch zu übernehmen. Seither befaßt sich die Senatsverwaltung für Frauen, Jugend und Familie mit der dringend anstehenden Winterfestmachung, und die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen soll ein Konzept vorlegen, das auch die BesetzerInnen und ihre Vorstellungen nicht ausschließt. Für die Winterfestmachung rechnen die Verwaltungen mit Kosten von ungefähr 400.000 Mark. Pressesprecherin Gabriele Kämper aus der Verwaltung Frauen, Jugend und Familie sagte dazu: „Es ist signalisiert worden, daß die Bezirksmittel für den Fall einer Duldung verstärkt werden.“ Damit sollen dann die minimalen Funktionen der Häuser zunächst sichergestellt werden. In einem Brief an die Verwaltungen und die SPD -Fraktion kritisiert die AL-Fraktion die Tatenlosigkeit. „Das Projekt droht zu einem ernsthaften Konflikt zwischen AL und SPD zu werden, wenn nicht ohne weitere Zeitvergeudung eine mit der AL-Fraktion abgesprochene Lösung gefunden wird.“

Ralf Klüfer