: Das Poststadion - ein sportpolitischer Zankapfel
■ Berliner Fußball-Verband und SPD/AL-Senat streiten sich um die Zukunft des Tiergartener Stadions / Vorrang für Breitensport oder Profifußball? / Alternative Liste ist gegen ein reines Fußballstadion / Das ideale „Zweitstadion“ für Hertha BSC und Blau-Weiß 90?
Die Debatte um die Zukunft des Poststadions in Tiergarten, Berlins Zankapfel Nummer 1 in Sachen Sportstättenbau, geht in die wohl entscheidende Phase. „Jetzt wieder alles in Frage zu stellen hieße, daß da nie etwas draus wird“, stöhnt Dietmar Bothe, Pressesprecher des Landessportbundes (LSB). Zwei Planungsentwürfe für das marode Hauptspielfeld, das einst 40.000 Zuschauer faßte, stehen zur Diskussion: Der Berliner Fußball-Verband (BFV), unterstützt vom LSB, möchte die Anlage für rund 120 Millionen Mark als reine Fußballarena neu errichten lassen. Mit einem projektierten Fassungsvermögen von bis zu 25.000 Menschen sei es das ideale „Zweitstadion“ für Hertha BSC und Blau-Weiß 90, die ihre Zweitligaspiele bislang im viel zu großen Olympiastadion austragen müssen. Der Senat hingegen, unter Federführung des Sport-Staatssekretärs Hans-Jürgen Kuhn (AL), plädiert für die Beibehaltung der kombinierten Fußball -Leichtathletik-Anlage mit 15.000 bis 18.000 Plätzen. Diese Umbauvariante würde lediglich etwa 80 Millionen Mark verschlingen.
„Natürlich gibt es in unserem Haus die Tendenz, daß mehr auf Breitensport abgehoben wird“, bekräftigte Sport -Pressesprecher Stefan Woll die Senatspläne. Günter Lüdke von der AG Sport der AL wird deutlicher: „Es ist halt das Bestreben des BFV, sich ein Kleinod zu schaffen.“ Ein 120 -Millionen-Projekt, das letztlich vor allem den Profifußballern zugute käme, lehnt er entschieden ab: „Es ist unser erklärter Wille, kein reines Fußballstadion zu bauen!“
In der Tat spricht einiges dagegen: Zweitligist Blau-Weiß befindet sich sportlich auf dem absteigenden Ast und lockt kaum noch mehr als 2.000 Besucher pro Spiel ins Olympiastadion; auch Hertha BSC hätte Mühe (trotz derzeitiger Erfolgssträhne), die gigantische Investition zu rechtfertigen. Und falls der Verein tatsächlich in die erste Liga aufsteigen sollte, hieße der Spielort ehedem Olympiastadion.
Dietmar Bothe vom LSB möchte den „Fall Poststadion“ jedoch nicht nur vor dem Hintergrund der Westberliner Fußball -Tristesse behandelt wissen und erklärte bereits vor dem 9. November in weiser „Vorahnung“: „Ein Stadion für 15.000 bis 18.000 Leute wäre zu wenig, wenn beispielsweise auch die Mauer fällt.“ Auch in Hinblick auf eine Olympiade in Gesamt -Berlin wäre ein größeres Stadion besser, obwohl das Ganze nicht nur auf Olympia fixiert ist.“ Er schlägt vor, zunächst eine kleinere Version zu bauen („für 20.000 Zuschauer“), „wenn Erweiterungsmöglichkeiten gegeben wären“.
Bis die Bevölkerung zu sehen bekommt, was die Senats- und Verbandspolitiker demächst beschließen, werden allerdings noch einige Jahre ins Land gehen. In schätzungsweise acht bis zehn Jahren wäre das neue Stadion bezugsreif - sofern die entsprechenden Schritte bald eingeleitet werden.
Jürgen Schulz
Berichte über andere Sportstätten in Ost- und West-Berlin folgen.
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