„Massivste Abschreckung“

Gespräch mit AL-Fraktionsvorsitzenden Heidi Bischoff-Pflanz über den „Schäuble-Entwurf“  ■ I N T E R V I E W

taz: Warum hat die öffentliche Kritik am „Schäuble -Entwurf“ erst so spät eingesetzt? Der Bundesinnenminister hat seinen Entwurf schließlich schon im September vorgestellt.

Bischoff-Pflanz: Das Thema Ausländergesetz ist innerhalb der breiten Öffentlichkeit immer ein Stück weggedrängt worden. Ein Bewußtsein für die Ungeheuerlichkeiten, die in einem solchen Gesetz stecken können, ist auch im demokratischen Spektrum nur wenig vorhanden. Das war 1965 schon so (1965 wurde durch ein Ausländergesetz die Ausländerpolizeiverordnung von 1938 abgelöst, d. Red.), das läuft möglicherweise wieder so.

Was bleibt dann von rot-grüner Ausländerpolitik übrig?

Alles, was bisher auf Länderebene geregelt werden konnte zum Beispiel positive Schritte wie Altfallregelungen oder Aufenthaltsverbesserungen - ist dann passe. Das läuft dann nur noch über den Bund und würde eine auf massivste Abschreckung ausgerichtete Politik bedeuten. Das gilt besonders für Ausweisungstatbestände.

Wie wird sich die AL in dieser Situation verhalten?

Darüber wird auf der kommenden Vollversammlung geredet werden. Die AL ist jedenfalls auf das schärfste gefordert. Wenn von der rot-grünen Koaliton jetzt kein Signal zur Verhinderung dieses Gesetzes ausgeht, dann frage ich mich, ob die AL den Begriff „Demokratie“ in ihrem Titel noch zu Recht trägt.

Der Schäuble-Entwurf, so er denn Gesetz wird, bliebe die nächsten zehn, fünfzehn Jahre bestehen. Diese Befürchtung wird häufig geäußert...

Das ist auch zu befürchten. Auch bei einem Regierungswechsel in Bonn wird sich die SPD kaum an das gerade neue Gesetz heranwagen. Zudem hat auch der SPD -Entwurf zum Ausländergesetz seine Haken und Ösen - zum Beispiel Armut als Ausweisungsgrund. Das ist einfach ein Unding.

Gerade in Berlin macht sich seit dem 9.November eine wachsende Verunsicherung unter den AusländerInnen breit. Was raten Sie einem türkischen Berliner, der seit zehn, fünfzehn Jahren hier lebt, und jetzt zwischen Verunsicherung, Rückzug oder auch Angst schwankt?

Schwierig. Ich würde ihm natürlich sagen, daß er keine Angst zu haben braucht, zurückgeschickt zu werden. Ich könnte allerdings ehrlichen Gewissens nicht seine Angst ausräumen, daß er in Zukunft noch feindseliger von Teilen der deutschen Bevölkerung behandelt wird. Ich würde ihn aber auffordern, das, wo immer es geht, öffentlich zu machen, damit man gegen diese Parole „Deutsche rein, Ausländer raus“ massiv vorgehen kann.

Interview: Andrea Böhm