El Salvador-betr.: Bundesweite El Salvador-Demo in Frankfurt am 2.12.89

betr.: Bundesweite El Salvador-Demo in Frankfurt am 2.12.89

Todesschwadrone morden immer offener in El Salvador, nutzen die Offensive der FMLN brutal dazu aus, die Opposition zu verfolgen und hinterhältig umzubringen. All dies geschieht ohne Proteste der Weltöffentlichkeit. Die bundesdeutsche Öffentlichkeit starrt fasziniert in die DDR während ein mit ihren Steuergeldern gestütztes Regime in El Salvador unter der Zivilbevölkerung Massaker anrichtet.

In dieser Situation riefen die bundesdeutschen El Salvador -Gruppen zu einer bundesweiten Demo auf, in der die Kollaboration zwischen Bundesregierung und Christiani -Regierung angeprangert werden sollte. Nach langer Pause mal wieder eine Internationalismus-Demo, um für einen Moment die Öffentlichkeit auf die Probleme in El Salvador zu lenken.

(...) Zum Glück verfehlte diese Demo ihr Ziel, bundesweite öffentliche Aufmerksamkeit zu finden, total. Es wäre ein Schuß nach hinten geworden, hätten die Medien über diese Demo berichtet. So wurde der Internationalismusbewegung eine neue Schlappe erspart; trotzdem Grund genug, einmal in der „Soliszene“ über diese Demo zu reden.

Denn was das Erscheinungsbild der Demo ausmachte, wurde bei weitem noch von dem übertroffen, was die skandierten Sprüche der schwarzen DemonstrantInnen betraf: Herrhausen ist tot, Herrhausen ist tot“, nach der Melodie „Der Hahn ist tot“, schall es durch die Frankfurter Straßen. Zuerst dachte ich, ich hätte mich verhört. Ich wechselte meinen Platz in der Demo, aber dort schall es: Die Deutsche Bank muß weg, Herrhausen ist weg, hipp hipp hurra. Herrhausen singt, Herrhausen lacht, bis das Bömbchen bumm gemacht. Ich dachte wirklich ich bin auf der falschen Demo. Die Krönung bildete der Spruch, der nicht nur gerufen, sondern auch auf einem Transparent mitgetragen wurde: Wir grüßen das Kommando Behr, gebt uns noch mehr Waffen her.

Diese peinlichen, entlarvenden Sprüche machten deutlich, daß diese DemonstrantInnen politisch nichts begriffen hatten, viel schlimmer noch, daß sie die Situation der Menschen in El Salvador für ihre Zwecke mißbrauchten.

Ich finde es ja notwenig auf einer solchen Demo, gerade in Bankfurt, die Verantwortung bundesdeutscher Banken und Großkonzerne für die Unterdrückung der Menschen in der Dritten Welt aufzuzeigen und anzuprangern. Aber hier wurde der Eindruck erweckt, als daß der bewaffnete Aufstand in der BRD kurz bevorsteht, fast so wie in El Salvador. (...)

Traurig bei alledem, daß die Demoleitung nicht den Mut besaß, sich von diesen DemonstrantInnen und ihren Sprüchen zu distanzieren. (...)

Diese Demo hat hoffentlich die letzten Internationalisten für solche Demos verschreckt und wird sie in Zukunft dazu bewegen, ihre Demontage mit sinnvolleren und phantasiereicheren anderen Aktionen auszufüllen.

Den schwarzen Vermummten allerdings empfehle ich: wenn sie schon früher nicht genug Räuber und Gendarm gespielt haben, sich doch bei den Bullen für Übungswochenenden zu melden, um mit ihnen, unter jedem beliebigen Thema, dazu noch mit „freier Bewaffnung“, Demo mit Randale spielen zu können.

Dann brauchen sie nicht länger ein unterdrücktes Volk, wie das in El Salvador und seinen notwendigen bewaffneten Widerstand gegen seine Unterdrücker mißbrauchen.

Michael Hagedorn, Bielefeld