Ein überzeugender Arbeitssieg

■ „Built to Last“ von den Grateful Dead

Wohl keine andere Gruppe der Rockgeschichte ist so durch ihre Liveauftritte definiert wie die Grateful Dead. Während ihre Studioproduktionen oft enttäuschten, stellten die Konzertmitschnitte - ob offiziell oder als „bootleg“ fast immer Highlights zeitgenössischer Musik dar. Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, daß ihnen mittlerweile schon die zweite Generation „Dead Heads“ von Auftritt zu Auftritt nachreist, wohlwollend belächelt von ihren Eltern, die diesen aufreibenden Job möglicherweise vor fünfzehn oder zwanzig Jahren ausgeübt hatten, bis sie vom Ernst des Lebens ereilt wurden.

Um so überraschender die exquisite im Studio erstellte Produktion In the Dark von 1987, die den Dead flankiert vom Augen- und Ohrenschmaus auf Video: So far

-den Preis für das „Comeback des Jahres 1987“ der Fachzeitschrift „Rolling Stone“ einbrachte. Die Nachfolgeplatte, die die Musiker ihrer Plattenfirma vertragsgemäß schuldeten, konnte gegen ein solches Glanzstück nur abfallen, und das tut sie auch, wenngleich in durchaus erträglichem Rahmen.

Built to Last enthält acht neue Stücke, die alle ein wenig an verdiente Vorgänger gemahnen. Überraschendes war ohnehin nicht zu erwarten von einer Gruppe, die seit zwanzig Jahren mehr oder weniger dieselbe Art von Musik macht, diese aber dafür perfekt.

Es stimmt alles auf Built to last, das musikalische Kombinationsspiel funktioniert reibungslos, die Kompositionen sind griffig und die Tempowechsel vorzüglich abgestimmt. Das taktische Konzept geht voll auf, der Gesang ist harmonisch, der Spielrhythmus flüssig, und Jerry Garcias Gitarre setzt die gewohnten Akzente - alles in allem ein hochverdienter, überzeugend herausgespielter Arbeitssieg.

Aber was das wichtigste ist, die Stücke haben Substanz und bergen hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten in sich. Das getragene Standing on the Moon etwa schreit geradezu nach einer Verlängerung, denn in der regulären Spielzeit von 5:20 Minuten schafft es Garcia gerade mal so, den Text unterzubringen, für instrumentale Kabinettstückchen bleibt kein Raum. Foolish Heart plätschert so munter beschwingt dahin, daß es ruhig ein bißchen länger dauern könnte, Victim or the Crime merkt man sein hohes Alter von 7:33 Minuten kaum an, Built to Last sollte sich endlich einen Ruck geben und seinem Namen gerecht werden, mit Picasso Moon machte sich Gitarrist Bob Weir selbst das schönste Geburtstagsgeschenk und nur das von Spieluhrklängen begleitete I Will Take You Home mag von mir aus weiterhin dann enden, wenn seine Uhr abgelaufen ist.

Auf die extensiven Liveversionen all dieser Stücke darf man sich getrost freuen. Bei den Grateful Dead nämlich finden die Rückspiele immer auf der Bühne statt.

Matti Lieske

Grateful Dead: Built to Last,

Arista Records 1989