RAF-Anschlag als Quittung für Iso-Haft

Verfassungsschutz: „Unmittelbarer Zusammenhang der Haftfrage mit weiteren Anschlägen“ / Plädoyer für Zusammenlegung  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Führende Verfassungsschützer sind davon überzeugt, daß die RAF ihre Anschläge gegen hohe Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik solange fortsetzen wird, bis die isolierenden Sonderhaftbedingungen der RAF-Gefangenen aufgehoben sind. „Aus der 'Guerilla zur Befreiung der Guerilla‘ der siebziger Jahre ist heute eine 'Guerilla zur Zusammenlegung der RAF-Gefangenen‘ geworden“, heißt es in einer internen Analyse des hamburgischen Verfassungsschutzes zum Bekennerschreiben des „Kommandos Wolfgang Beer“ (siehe taz vom 6. Dezember). Das RAF-Kommando hatte am 30. November den Chef der Deutschen Bank mit seinem gepanzerten Mercedes in die Luft gesprengt und getötet.

Die während des letzten Hungerstreiks ausgegebene Strategie der Verfassungsschutzbehörden, „zur Verhinderung weiterer Rekrutierungen des Kommandos und mit den Haftbedingungen begründeter Anschlagsaktivitäten“ auf die Zusammenlegungsforderung einzugehen, habe mit dem Anschlag auf Herrhausen „eine traurige Bestätigung erfahren“, schreiben die Verfassungsschützer in ihrem sechsseitigen Papier weiter. Der „unmittelbare Zusammenhang der Haftfrage mit weiteren Anschlägen“ lasse sich auch aus den zeitlichen Abläufen und dem Brief des Gefangenen Helmut Pohl von Ende Oktober ableiten. Der „insgesamt resignativ gehaltene Brief“ Pohls habe den Anschlag auf Herrhausen zwar nicht initiiert; mit dem Schreiben sei aber die Initiative nach dem Scheitern des Hungerstreiks ausdrücklich an den RAF-Kommandobereich zurückgegeben worden. Das Kommando Wolfgang Beer habe „den Ball insofern aufgegriffen“, als in dem Bekennerbrief „die Zusammenlegungsforderung explizit als Ziel erhoben“ werde, so das Papier.

Für die Exegeten des Verfassungsschutzes ist die Kommandoerklärung nach dem Herrhausen-Anschlag der Beweis, daß die Attentäter intellektuell am Tropf der Gefangenen hängen. Mit einem Anflug von Ironie heißt es dazu gleich zu Beginn des Papiers: „Die technische Perfektion des Anschlages steht im deutlichen Widerspruch zur eigenen sprachlichen Ausdrucksfähigkeit.“ Der Erklärung gehe nicht nur „die revolutionäre Aggressivität und Perspektive früherer Texte“ ab, mehr noch, es handele sich dabei in weiten Passagen schlicht um ein Plagiat. Die einleitende Parole - „Die revolutionären Prozesse sind die Erfahrungen, die aus der Agonie zwischen Leben und Tod heraus hin zu einem entschlossenen Kampf für das Leben geführt werden“ sei einer Prozeßerklärung der Gefangenen Eva Haule entnommen.

Weitere Passagen geben nach Meinung der Staatsschützer lediglich Gedanken wieder, die Eva Haule während des Hungerstreiks in einem seinerzeit in der taz dokumentierten Schreiben „zur Ausgestaltung des gesamtgesellschaftlichen Dialoges“ geäußert habe. Das Resumee der Analyse: „Aus der Tatsache, daß das Kommando selbst sich nicht in der Lage sieht, eigenständige Gedanken und Ideen für die revolutionäre Bewegung zu entwickeln, sondern auf alte Vorlagen zurückgreifen mußte, wird deutlich, daß von dort allein die 'Praxis‘, wie mit diesem Anschlag unter Beweis gestellt, in den Diskurs eingebracht wird. Die Ideen werden von anderen, insbesondere den Gefangenen erwartet.“

Mehrfach beziehen sich die Autoren aus dem Hamburger Amt auch auf den versuchten Anschlag auf Staatssekretär Tietmeyer im Vorfeld der Berliner IWF/Weltbank-Tagung im vergangenen Jahr. Heute sei davon auszugehen, daß „der mißglückte Anschlag nicht die Ermordung von Staatssekretär Tietmeyer zum Ziel hatte“. Vielmehr sei wahrscheinlich, daß damals „eine Entführung mit dem Ziel der Zusammenlegung“ der Gefangenen geplant gewesen sei. Die dilettantischen Begleitumstände des Tietmeyer-Anschlags hatten damals insbesondere in linken Kreisen die Überzeugung genährt, die RAF sei nicht nur intellektuell, sondern auch „technisch“ am Ende.